Video_The Weather Man
Immer Fast Food
Ehe sich Regisseur Gore Verbinski daran machte, mit zwei enttäuschenden Filmen seine "Fluch der Karibik"-Trilogie zu beenden, zauberte er 2006 diese wunderbare Tragikomödie hervor. Als Wetterfrosch in der Midlife Crisis bot Nicolas Cage eine seiner besten Schauspielleistungen in einem Film, der weniger Beachtung erfuhr, als er verdient hat.
30.01.2012
In "The Weather Man" fliegt viel durch die Luft. Egal ob es Schneebälle, Fast Food, Pfeile, Fäuste oder Worte sind. Wie passend, daß die Hauptfigur des Films ein Wettermoderator ist - allerdings einer ohne Abschluß in Meteorologie. Der Wind sei eine unberechenbare Größe, heißt es in Gore Verbinskis Tragikomödie an verschiedenen Stellen.
Es gibt kaum eine Person im Haushalt der Familie Spritz, die nicht unzufrieden zu sein scheint. Eine ganz normale dysfunktionale Familie, könnte man sagen. Die Eltern leben in Trennung, der Sohn ist in Verhaltensberatung, und die übergewichtige Tochter wird in der Schule gehänselt. "Schau dir dieses Haus an", sagt Nicolas Cage in einer Szene zu seinem Filmsohn. "Jemand sollte hier glücklich sein."
Glücklich ist jedoch keiner, am allerwenigsten Dave Spritz (Nicolas Cage), Moderator eines Chicagoer TV-Senders. Die Ehe mit Noreen (Hope Davis) scheiterte an unüberbrückbaren Differenzen, die Beziehung zu den beiden Kindern Mike (Nicholas Hoult) und Shelly (Gemmenne de la Peña), sowie zu seinem Vater Robert (Michael Caine) könnte für Dave ebenfalls besser sein.
Und als wäre das noch nicht genug, wird unser gebeutelter Wettermoderator auch noch in schöner Regelmäßigkeit mit Lebensmitteln wie Milchshakes und heißen Apfeltaschen beworfen. "Immer Fast Food", kommentiert Dave lakonisch, während sein mit dem Pulitzerpreis ausgezeichneter Vater fragt: "Die Leute schmeißen Shakes nach dir?"
Daves Job ist nicht anspruchsvoll, aber gut bezahlt. Den Respekt seines Vaters gewinnt er damit dennoch nicht. Auch nicht, als eine nationale Morgensendung aus New York Interesse an ihm zeigt. Der Schatten des Vaters, eines Schriftstellers, erscheint riesig. Vor allem, da er auch noch ein guter Vater war.
Den Erwartungen seines Erzeugers wurde Dave ebensowenig gerecht wie denen seiner Frau. "Wie konnte ich das nur in den Sand setzen?", fragt sich Dave gegen Ende des Films. Verbinski hält keine Antworten bereit. Woran genau Daves Ehe gescheitert ist, weshalb Mike in Beratung ist und warum die Beziehungen der Familienmitglieder angespannt sind, erfahren wir nicht.
Dies ist allerdings auch nicht nötig. "The Weather Man" ist keine Analyse, sondern eine Darstellung des Jetzt-Zustandes. Dave ist im Grunde ein Jedermann. Jemand, der versucht, mit Kind und Kegel zurechtzukommen und nach der Anerkennung des Vaters strebt. Und der in beiderlei Hinsicht versagt zu haben scheint. Abhilfe verspricht er sich von dem neuen Job, aber der kommt wohl zu spät.
"Nichts von Bedeutung ist jemals einfach", erklärt Robert seinem Sohn später. Einfache Dinge betreten nicht das Leben erwachsener Menschen, nach Lösungen muß selbst gesucht werden. So gesehen ist Verbinskis Film nicht nur eine Geschichte über die Midlife Crisis eines Mannes, sondern auch über seine Selbstfindung.
Auch die übrigen Figuren haben ihre Zores. Mike wird von seinem Verhaltensberater sexuell belästigt, Shelly aufgrund ihres Gewichts und Kleidungsstils gehänselt, und Robert hat nur noch wenige Monate zu leben. Hierbei handelt es sich um kleine, nicht wirklich bedeutende, aber charakterbildende Subplots. Wo Nebenrollen in anderen Filmen zu Randfiguren verkommen, verfügen sie hier über Dreidimensionalität.
Herz und Seele von "The Weather Man" ist aber dennoch Nicolas Cage. Wie in jeder seiner guten Darstellungen nimmt er sich hier um einiges an Theatralik zurück. Das Resultat ist eine Figur, die versucht, aber nicht kann. Nicht so sehr wegen widriger Umstände, sondern weil sie sich selbst im Weg steht.
Frieden findet Dave erst, als er die Übungsstunden seiner Tochter im Bogenschießen übernimmt. Daß Verbinski den Figuren letztlich ein Happy End beschert, ist angesichts des ambivalenten Charakters seines Sabbatical-Films nachvollziehbar. Bittersüß gerät die Tatsache, daß das Glück aller im Nachhinein vom Abschied Daves abhängig ist.
"Ich bin Fast Food", urteilte er selbst in einer Szene. Geschmack, aber keine Ernährung. Was auf diesen "Arthouse"-Film zum Glück ganz und gar nicht zutrifft. Allerdings konnte er nicht einmal seine Produktionskosten einspielen, während Verbinskis Piratenabenteuer für Milliardenprofite sorgten.
"The Weather Man" ist eine hervorragend gespielte Tragikomödie, von Kritik wie Publikum unterschätzt. Die Mehrheit scheint eben filmisches Fast Food vorzuziehen.
Florian Lieb
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