Video_The Tribe
Herr der Kiwis
EVOLVER und Jugendserien - das geht nur selten zusammen. Handelt es sich jedoch um neuseeländische Endzeitvisionen, greifen sogar manche von uns zur Fernbedienung.
14.03.2007
Erinnern Sie sich noch an Max Rockatansky, den postapokalyptischen Vollstrecker aus der australischen "Mad Max"-Trilogie? Seit dem dritten und bisher letzten Teil sind 22 Jahre vergangen, und heute kennt man den Ex-Action-Helden Mel Gibson eher als Regisseur mit einer Vorliebe für tote Sprachen und ordentliche Gore-Effekte. Jüngeren Semestern, die nicht allzuviel Zeit vor dem Fernseher verbringen oder gelegentlich in den Hinterkammerln diverser Videotheken stöbern, wird der gute Max wahrscheinlich unbekannt sein. Weil die Zeit ja bekanntlich so schnell vergeht ...
Die Darsteller der nun auf DVD vorliegenden, britisch-neuseeländischen TV-Koproduktion "The Tribe" haben von Herrn Rockatansky garantiert noch nie gehört. Obwohl das Produktionsland der Serie auf dem Globus nur einen Katzensprung von "down under" entfernt liegt und die Protagonisten quasi auf den Spuren des Vollstreckers wandeln, waren die meisten von ihnen selbst zu "Mad Max 3"-Zeiten noch nicht einmal geboren.
Zur Handlung: Nachdem ein mysteriöser Virus sämtliche Erwachsenen - und damit verbundenen Mumpitz wie Bürokratie, Strom oder regelmäßige Mahlzeiten - dahingerafft hat, sind die Kinder und Teens auf sich allein gestellt und haben sich als Stämme organisiert. Gangs wie die Locos und Demon Dogs terrorisieren die Stadt. Wer - oder was - ihnen über den Weg läuft, braucht sich um die Zukunft keine Sorgen mehr zu machen. Aber die ist ohnehin ungewiß, wie der in den ersten Episoden zusammenfindende Tribe der Mallrats feststellen muß.
"Ryan as a teacher, Lex as market supervisor. We´ve really got something going here."
"Yeah, all we need is a pension scheme and it´ll be like the virus never happened."
Fernab von Grönemeyers "Gebt den Kindern das Kommando" und näher an Goldings "Herr der Fliegen" herrscht hier auf den Straßen das Recht der Stärkeren, die naturgemäß nur selten auch zu den Klügeren gehören - und so macht man sich nur wenige Gedanken um die Zukunft der Spezies. Lediglich die Mallrats versuchen sich an dem utopischen Gedanken, eine funktionierende Gemeinschaft zu entwickeln, und stoßen dabei immer wieder an die schier unüberwindbare Grenze zwischen Theorie und Wirklichkeit. Wer glaubt, "The Tribe" serviere fröhliche Kinderzwerge-Abenteuer, der irrt: Die Drehbücher ließen sich, entsprechend adaptiert, auch leicht in die Erwachsenenwelt transferieren. Die jeweils halbstündigen Episoden sind dramaturgisch relativ dicht und ohne Leerläufe erzählt; die Autoren ersparen sich kindgerechten Unsinn (oder - besser gesagt - das, was sich wahrscheinlich viele Geldgeber und Wischiwaschi-Pädagogen darunter vorstellen*) und greifen nach und nach mehr soziale Themen oder zwischenmenschliche Probleme auf als das durchschnittliche Nachmittags- oder Vorabendprogramm eines x-beliebigen Berieselungskanals zusammengenommen. Daß dort schon seit Jahren keine echten Kinder-/ Jugendsendungen mehr laufen, beweist übrigens ein kurzer Blick ins Fernsehprogramm. Einzig löbliche Ausnahme: KI.KA - der Kinderkanal, auf dem "The Tribe" zuletzt ausgestrahlt wurde.
Fazit: Für Heranwachsende definitiv geeignet, trotz kindgerecht in Szene gesetzter Sujets und Problemstellungen aber durchaus auch für ältere Semester einen Blick wert. Sie können es ja offiziell für den Sprößling kaufen ...
PS: Wer Endzeitszenarien in erwachsener Serienform bevorzugt, dem empfehlen wir an dieser Stelle "Jeremiah" aus der Feder des "Babylon 5"-Erfinders Joseph Michael Straczynski (Böser Virus vernichtet die Menschheit), "Survivors" - britische Serienkost aus den 70ern (Genetischer Killervirus rottet die Welt aus) - oder die neue US-Produktion "Jericho" (Terroristen spielen mit Atombomben).
Jürgen Fichtinger
* Anmerkung der Redaktion
Daß die diesbezügliche Verwirrtheit - besonders in Hinsicht auf "Gewalt" - leider auch in den Köpfen vieler Eltern zu finden ist, beweist ein Blick auf manche Ansichten wie die der "Glückliche Familie e.V.", wo man tatsächlich unter anderem "Tom und Jerry" an den Pranger stellt - oder über "The Tribe" 2004 folgendes zu sagen hatte:
Derartige Produktionen sind keinesfalls geeignet für Kinder (auch nicht für Jugendliche) und für das TV-Programm eines eigens für Kinder eingerichteten Kanals. Die Autoren der (pervers anmutenden) Fantasien gehören eher in therapeutische Behandlung als deren Produkte unter ein Publikum aus Heranwachsenden, die Vorbilder, Sinn und Werte brauchen und auch suchen. Unser Nachwuchs wird geprägt von Einflüssen, in vielen Fällen wird er verprägt und muss mühsam und schmerzhaft umlernen (s. Kinder- und JugendKriminalität).
... Der Kinderkanal trägt mit Firmierung und Programm qualität auch zum negativen Image von ARD und ZDF bei. Wie können wir sinnvoll gegen ‚Kriminalität’ im Programm des KiKa aktiv werden?
(aus: "Ein Schocker im Kanal für Kinder: 5 Minuten geballte Kriminalität")
Wie wir hoffen, können diese Leute gar nicht. Schließlich sollte auch Kindern Stoff zum Nachdenken gegeben werden und nicht nur pure Berieselung. Vorausgesetzt, die lieben Kleinen haben mündige Eltern, die mit ihnen gemeinsam fernsehen und danach über das Gesehene reden.
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