Video_The Proposition
Spiel mir das Lied vom Känguruh
Guy Pearce steht im vielgerühmten australischen Neo-Western vor einem teuflischen Gewissenskonflikt - während Regisseur John Hillcoat holzschnittartige Szenen vor traumhafter Kulisse offeriert.
29.05.2007
Australien im ausgehenden 19. Jahrhundert: Die berüchtigten Burns-Brüder schlachten eine wehrlose Farmerfamilie ab. Das darauffolgende Feuergefecht mit den örtlichen Gesetzeshütern endet mit der Festnahme von Charlie (Guy Pearce) und Mike Burns (Richard Wilson). Captain Stanley (Ray Winstone) unterbreitet Charlie ein perfides Angebot: Innerhalb von neun Tagen soll er seinen älteren Bruder, den psychotischen Arthur Burns (Danny Huston), aufspüren und aus dem Verkehr ziehen. Als Gegenleistung stellt Stanley die Freilassung des 14jährigen Mike in Aussicht. Weigert sich Charlie aber, so soll das Nesthäkchen der blutrünstigen Familie öffentlich aufgeknüpft werden. Dem mittleren Burns bleibt also gar nichts anderes übrig, als sich auf die Suche nach dem unberechenbaren Arthur zu begeben.
Das Drehbuch zu "The Proposition" stammt aus der Feder des Gruftie-Poeten Nick Cave, der auch die musikalische Verpackung des Films beisteuert. Regisseur John Hillcoat macht sich die trügerische Pracht des australischen Outback zunutze und spart nicht mit eindrucksvollen Aufnahmen der sonnendurchtränkten Wüsten- und Felslandschaft. In den Weiten dieser schönen und gleichzeitig unerbittlichen Szenerie stöbert Charlie Burns nach seinem gemeingefährlichen Bruder, der es - mitsamt seinem grenzdebilen Helfershelfer Samuel (Tom Budge) - versteht, sich den Zugriffsversuchen verschlagener Kopfgeldjäger zu entziehen.
Wer nun eine glaubhafte psychologische Sezierung des Brudermörders in spe erwartet, wird bald eines Besseren belehrt. Der kojotenhafte Pearce tritt sämtlichen Gefahren nicht nur wortkarg, sondern auch ohne erkennbaren Antrieb gegenüber und hebt sich daher kaum von den ebenfalls silhouettenhaft anmutenden Nebendarstellern ab. Überhaupt verzichtet Hillcoat - der durch Caves reichlich grob skizzierte Story doch eigentlich gefordert wäre, inszenatorisch besonders kreativ tätig zu werden - fast völlig auf ausgereifte Charakterprofile. Seine Figuren bleiben meist stumm und handeln überdies fast ausschließlich aus dem Affekt. Hier und da entladen sich die ansonsten unsichtbaren Emotionen der primatenhaften, auswechselbar erscheinenden Protagonisten in unvermeidlichen Gewaltexzessen. Dazwischen schweift Kameramann Benoît Delhomme durch wunderschöne Prärien, fängt dort majestätische Panoramen ein, bleibt auf der Suche nach dramaturgisch relevanten Momenten aber weitgehend erfolglos.
Eine positive Ausnahmeerscheinung gibt immerhin Ray Winstone, seines Zeichens charismatischer Filmgatte einer farblosen, stoßweise wirr faselnden Emily Watson ab: sein ambivalentes Spiel stellt den übrigen Schauspielerstab klar in den Schatten. Winstones Captain Stanley wagt mit dem hochgradig amoralischen Angebot an Charlie Burns viel und hat in der Folge alle Hände voll zu tun, die unvorteilhaften Auswirkungen seines fatalen taktischen Fehlers zu begrenzen.
Neben Ray Winstone bildet Australiens hypnotische Outback-Optik die einzige Trumpfkarte in Hillcoats blutiger, kleiner Westernwelt. Dort bleibt nackte Gewalt Ursprung und Lösung aller Probleme, regiert ein archaischer Überlebenswille das Geschehen. Die bloße Reduzierung und Entzauberung althergebrachter romantischer Genrebausteine allein - ohne befriedigendes künstlerisches Surrogat - führt aber zu keinem ansprechenden Resultat. Als Ersatz für eine attraktive Erzählstruktur und ausgearbeitete Figurenporträts bietet uns Hillcoat lediglich eine narrative Todeszone an.
Sein "Tödliches Angebot" (so der deutsche Zusatztitel) erweist sich daher im Endeffekt leider als filmisches Sedativum.
Dietmar Wohlfart
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