Video_The Office
Ein fast normales Büro
Wahrer Witz stirbt zuletzt. Darum macht es auch nichts, daß die britische Erfolgs-TV-Serie "The Office" erst jetzt bei uns auf DVD erscheint. Dieser Bürobesuch macht sowieso süchtig.
26.08.2005
Eigentlich ist es gar nicht so einfach herauszudestillieren, was eigentlich das spezifisch Lustige an "The Office" ist, das eine globale Die-Hard-Fangemeinde kultisch verehrt. Und daß der Ruhm des begnadeten Hauptdarstellers Ricky Gervais sogar den sonst heiß geliebter Popmusikstars überstrahlt, ist selbst für Großbritannien außergewöhnlich. Eigentlich nämlich ist die Ausgangsstory wahnsinnig deprimierend, weil sie so beständig hautnah an den fleckigen Kunststoffkanten des echten Joblebens entlangschrammt. Alles Absicht, denn die beste Comedy-Serie seit Ewigkeiten ist als Fake-Dokumentarfilm angelegt. Vor den unbestechlichen Journalistenaugen eines imaginären BBC-Kamerateams geben die Angestellten des schmucklosen Großraumbüros im unerwähnenswerten Satellitenstädtchen Slough ungeschönte Einblicke in den Bürotrott. Dies ist so authentisch banal, daß es fast weh tut. Denn Personen und Alltag sind so minutiös beobachtet, daß Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen in kaum einer Sekunde ausgeschlossen werden können. Außer der, daß in diesem Office so ziemlich jede zwischenmenschliche Begegnung, jeder Monolog und jedes Gepräch in absurde Komik oder ein groteskes Debakel mündet. Wesentlich daran beteiligt ist die unschlagbare Chemie der versammelten Charaktere, die hier auf engstem Raum aufeinandertreffen. Mangels Alternativen im unsagbar öden Slough müssen sich diese auch noch im Privat- und ziemlich unprickelnden lokalen Nachtleben miteinander verbandeln.
Chef dieser Zweigstelle einer größeren Firma, die im weiteren Verlauf vom rigorosen Downsizing der Manager-New Economy bedroht wird, ist David Brent (Ricky Gervais): Rotwangiger Bartträger, inkompetent und taktlos bis zur Schmerzgrenze, der sich zu Höherem berufen fühlt und sich gerne zu unpassendsten Gelegenheiten als Komiker, Musiker oder Entertainer versucht. Peinliche Witze, verbale Entgleisungen und Anzüglichkeiten begleiten den dilettierenden Hobbyphilosophen, der sich gerne als väterlicher Ratgeber versteht und Umstehende ungefragt mit postiven Lebensweisheiten wie diesen versorgt: "If you have lost both legs and both arms just go 'at least I'm not dead'." Sein einziger Bewunderer ist der superdünne, stets korrekte Assistent Gareth Keenan (Mackenzie Crook), der ein ausgeprägtes Faible für alles Militärische, Sicherheitsfragen und lesbische Schwestern hat. Ihm macht der einzige fast sympathische Beinahe-Student Tim Canterbury (Martin Freeman) das Leben schwer, der unter seinem hohlen Dasein leidet und wenig aussichtsreich in seine nette Kollegin Dawn Tinsley (Lucy Davis) verliebt ist. Um diese Viererbande schart sich eine mehr oder weniger phlegmatische Arbeitstruppe, die sich die raue Außenwelt, engagierte Vorgesetzte und Motivationcoaches mit Popquiz-Abenden, kleinen Neurosen, Herrenwitzen und Alkohol von Leib und Schreibtisch hält.
Wie erwähnt, avancierte die BBC-Serie von und mit Ricky Gervais und dessen kongenialen Partner und Regisseur Stephen Merchant zum Comedy-Hit, der nicht nur ins internationale Ausland überschwappte, sondern auch Meriten und Sequels nach sich zog. Obwohl nach zwei Staffeln mit je sechs Episoden Schluß war, schob der Sender wegen des großen Erfolges zwei Weihnachtsfolgen nach. Der Büro-Albtraum erhielt zwei Golden Globes, sechs Baftas, einen Wikipedia-Eintrag und nach dem bereits wieder eingestellten deutschen TV-Plagiat "Stromberg" die von NBC produzierte offizielle US-Version "The Office: An American Workplace". So what becomes of you my love? Nun, Gervais und Merchant haben auf BBC 2 schon ihre nächste Serie am Laufen: "Extras". Bis die hierzulande ankommt, werden über Slough wohl noch einige Gedichte geschrieben und Scotch Eggs gegessen. Derweil kann man zum sehr eigenen Humor der beiden auf vorliegender DVD konvertieren.
Hinweis: Wer nach der ersten Folge eher verstört als erheitert ist, keine Angst: Relativ sicher bezwingt einen ab der zweiten der geniale Wortwitz und das ebensolche Acting.
Klara Musterfrau
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