Ende vergangenen Jahres tauchte ein Film auf vielen Bestenlisten von US-Kritikern auf, der im Tenor der Preisverleihungen zum Jahresanfang unterging. Dabei hat James Grays jüngstes Werk viele Elemente, die ihn gerade für die Oscars interessant machen sollten.
30.01.2015
Die Menschen, die am einfachsten zu manipulieren sind, sind die Verzweifelten. Das scheint auch Joaquin Phoenixs Figur in James Grays neuem Film "The Immigrant" erkannt zu haben. Auf Ellis Island sondiert sein hilfsbereiter Bruno Anfang der 1920er Jahre die Einwandererwelle, stets auf der Suche nach dem richtigen Opfer: einer hübschen Frau in Not.
Als solche macht er Ewa (Marion Cotillard) aus, die gerade mit ihrer Schwester aus Polen den Ozean überquert hat. Weil die Schwester jedoch an Tuberkulose erkrankt, muß sie in Quarantäne bleiben, während Ewa die Deportation droht, da sie sich auf der Überfahrt prostituiert haben soll. Da tritt Bruno auf den Plan und nimmt Ewa bei sich auf.
Schnell wird deutlich, daß der adrett gekleidete Mann nicht nur eine Varieté-Show leitet, sondern sein Damenensemble zugleich für sich anschaffen läßt. Ein guter Arbeitgeber sei er, verrät eines der anderen Mädchen dem neuen Opfer Ewa. Sie selbst sträubt sich zwar zuerst, verliert sich jedoch bald in dem Manipulationsstrudel, den Bruno kreiert hat.
Mit Zuckerbrot und Peitsche inszeniert der Schurke ein Trugbild der Realität, präsentiert Ewa Verlockungen, nützt ihre Nöte aus. "Wir vergeben einander", postuliert er nach einem Streit. "Wir alle waren schon verzweifelt." Wenn Ewa ihrer Schwester helfen will, brauche sie Geld. Geld möge sie, sagt Ewa; Bruno dagegen nicht. Eine Wahl bleibt ihr jedoch nicht.
Die Not ist so groß, daß Ewa wie schon auf der Überfahrt zur Frau mit niedriger Moral verkommen muß. Die Freiheit hat ihren Preis - und Neuanfänge fallen nicht billig aus. "The American Dream is waiting for you", zwitschert da Brunos Cousin, der Trickkünstler Emil (Jeremy Renner), auf Ellis Island den Neuankömmlingen entgegen.
In der Tat ist in "The Immigrant" der American Dream für die Charaktere so nah und doch so fern. Mit der Überfahrt in eine neue Welt liegen die Übel der alten, so zeigt sich, längst nicht hinter einem. "Du hast ein Recht, glücklich zu sein", erklärt Emil später Ewa. Und die fragt sich: "Ist es eine Sünde, überleben zu wollen?"
Hin- und hergerissen zwischen ihren religiösen Moralvorstellungen und der (Für-)Sorge um ihre Schwester, verliert sich Ewa immer mehr, während Bruno und Emil jeweils um ihre Zuneigung buhlen. Und was als zeitgeschichtliches Historienepos beginnt, entwickelt sich in der Folge immer mehr zum Hollywood-gängigen Dreiecks-Beziehungsdrama.
Da paßt es ins Bild, daß sich der Film nicht die Mühe macht, zu erklären, was Bruno oder Emil an Ewa so fasziniert, abgesehen davon, daß sie eben eine gutaussehende Frau ist. Das Drama auf Telenovela-Niveau ereignet sich dann zu einem Zeitpunkt, wenn das Publikum schon längst vergessen hat, daß es eigentlich darum geht, der kranken Schwester zu helfen.
Während Ewa und Bruno zumindest ansatzweise charakterisiert werden, verkommt Emil zum reinen Mittel zum Zweck, um der Handlung bei ihrem Übergang in den dritten und letzten Akt eine Wendung zu geben. Und wo "The Immigrant" anfangs Einblicke in das New York Anfang der 1920er schenkt, wird der Makro- bald zum Mikrokosmos.
Das ist gerade daher schade, da die Atmosphäre des Films, von Darius Khondjis wunderschöner Kameraarbeit über das Bühnenbild bis hin zu den Kostümen, sehr liebevoll und glaubwürdig gestaltet ist. Marion Cotillard liefert zudem - wie so oft - als eingeschüchterte, verletzte und doch hoffnungsvolle Frau mit dem Wunsch nach einem versagtem Neuanfang eine schauspielerische Paradeleistung.
Sergio Leone hat in "Es war einmal in Amerika" gezeigt, daß sich privates Drama und Zeitgeschichte sehr wohl verbinden lassen, auch wenn sein 1984er-Epos fast doppelt so lang dauert wie James Grays Historienromanze. Da paßt es irgendwie, daß - auch wenn der Film bei US-Kritikern zu den 20 besten des vergangenen Jahres zählt - er in der öffentlichen Wahrnehmung sowie bei der Oscar-Academy untergegangen ist.
Jim Jarmusch machte zuletzt Vampire zu Rockstars und Busfahrer zu Dichtern. In seinem jüngsten Film "The Dead Don´t Die" finden sich Kleinstadtpolizisten infolge einer Klimakatastrophe plötzlich in der Zombie-Apokalypse wieder. Das Ergebnis ist erwartungsgemäß so skurril wie schrullig und verquickt dabei geschickt klassische Zombie-Tropen mit Meta-Momenten und bissiger Persiflage auf die amerikanische Rechte.
Willst du groß und stark werden, dann mußt du ordentlich Fleisch zu dir nehmen. Diesem Glauben hängen vor allem Männer gern nach - so auch der britische Mixed-Martial-Arts-Kämpfer James Wilks. Zumindest so lange, bis er sich nach einer Verletzung schlau machte und entdeckte, daß viele erfolgreiche Athleten vegane Ernährung bevorzugen, um mehr Leistung bringen zu können. Oscar-Gewinner Louie Psihoyos dokumentiert diese Erkenntnis in seinem Netflix-Film "The Game Changers".
Mehr als 50 Jahre ist es her, daß George A. Romero in "Night of the Living Dead" Zombies als reanimierte Kannibalen salonfähig machte. Seither treiben die Untoten munter ihr Unwesen, sei es im Schnee ("Dead Snow"), im Zug ("Train to Busan") oder beim Schulball ("Dance of the Dead"). Umso beachtlicher, daß Ueda Shin’ichirō in seiner No-Budget-Komödie "One Cut of the Dead" dem Genre dennoch etwas Originelles abgewinnt.
Der Tenor nach Terrence Malicks jüngstem Werk fiel aus wie immer: Der Auteur präsentiere stets dasselbe - ähnlich wie die Kritik an seinen Werken, die sich in Witzeleien über gehauchte Erzählstimmen, an Parfümwerbung erinnernde Kameraarbeit und das Frohlocken in den Feldern erschöpft. Sein neuer Film wird ihm kaum neue Anhänger bescheren, liefert Fans aber das, was sie an ihm schätzen.
Kleine Dinge können eine große Wirkung haben. Das veranschaulicht auch Regisseur Hong Sang-soo in seinem jüngsten Film. Der beginnt nach der Hälfte seiner Laufzeit einfach nochmal von vorne - mit einigen Abweichungen, die der Geschichte eine neue Wendung geben. Das Ergebnis daraus: ein vergnüglicher Doppel-Film über den Moment des Augenblicks.
Vor 17 Jahren avancierte der sehr preisgünstige Found-Footage-Horror "Blair Witch Project" zum Kassenschlager im Kino. Dennoch folgte auf den Indie-Hit lediglich eine einzige Fortsetzung, die den Erfolg nicht wiederholen konnte. Nun bringt Regisseur Adam Wingard die Kameras und den Schrecken zurück in den Black Hills Forest - und das durchaus überzeugend.
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