Video_Rest in Peace

Geboren, um zu sterben

Gestorben wird immer - so lautete der Untertitel der renommierten HBO-Serie "Six Feet Under". Dem Tod widmete sich im vergangenen Jahr auch Regisseurin Andrea Morgenthaler - von der normalen Bestattung bis hin zur Kryonik. Ihr Film veranschaulicht eindrucksvoll, daß das Sprichwort "Andere Länder, andere Sitten" auch nach dem Tod noch Bestand hat.    23.10.2011

Isaiah Owens hat jede Menge Leichen im Keller, und das darf hier gerne wortwörtlich verstanden werden. Owens arbeitet im New Yorker Stadtteil Harlem als Bestatter, was seiner eigenen Aussage nach seit jeher seine Berufung war. Mit fünf Jahren begann er, Frösche zu töten, um sie anschließend beerdigen zu können. Hierfür bastelte er Särge aus alten Cola-Dosen und Wattebäuschen.

Woher seine Faszination mit dem Tod stammt, wird nicht so ganz klar, zumindest dürfte es eine Art Haßliebe sein, findet Owens doch, daß "der Tod grausam und häßlich" ist. Allerdings für den gläubigen Christen nur eine Zwischenstation auf dem Weg ins Jenseits, wo Owens' Psyche bereits beheimatet sei, verrät der Bestatter, auch wenn er physisch noch auf der Erde wandle.

 

 Ans Jenseits glaubt Marc Bernecke wiederum überhaupt nicht. Der tätowierte Kriminalbiologe ist weitaus bodenständiger - vielleicht auch, weil er sich beruflich mit der Dekonstruktion des menschlichen Körpers beschäftigt. Ist der Mensch gestorben, legen Schmeißfliegen schnell Eier in den Bereichen der Augen, des Mundes oder der Genitalien. Maden schlüpfen dann und zersetzen den Körper.

"So ist dat halt", zerstört Bernecke im Interview jegliche christlich-romantische Hoffnung und beschwört stattdessen den Kreislauf des Lebens. Unterschiedlicher können die Ideologien zweier Männer, die tagtäglich mit menschlichen Leichen konfrontiert sind, vermutlich nicht ausfallen.

 

Einen erneuten Perspektivwechsel bietet die schwedische Biologin Susanne Wiigh-Mäsak, die mit "Promession" ein Bestattungsverfahren propagiert, in dem Leichen per Gefriertrocknung so behandelt werden, daß sie anschließend einfacher kompostiert werden können. "Kein Einziger gibt etwas zurück an die Erde", krisitiert die Schwedin.

Denn drei Milliarden Menschen würden sich begraben lassen und so das Grundwasser durch ihren körperlichen Verfall beeinträchtigen, während die anderen drei Milliarden Menschen, die sich verbrennen lassen, dadurch die Atmosphäre verschmutzen.

 

Für diesen Verschmutzungsprozeß liefert der Film einige Minuten später sogleich ein passendes Beispiel, wenn die Szenerie zum Tempelkomplex Pashupatinath nach Nepal wandert. Hier ist es Brauch, die Leichen seiner Angehörigen am heiligen Fluß Bagmati zu verbrennen. Die Asche wird anschließend als schwarze, teerähnliche Masse in den Fluß gekippt, der weniger nach einem Heiligtum denn nach dem Abwasserkanal einer Großstadt aussieht - was er im Grunde auch ist.

Bedenkt man, daß speziell die Einwohner des sechs Kilometer von Pashupatinath entfernten Kathmandu anschließend in ihm noch ihre Abfälle entsorgen, wird für westliche Zuschauer die Heiligkeit des Bagmati dadurch doch etwas in Frage gestellt.

 

Des Weiteren beschäftigt sich Andrea Morgentaler auch mit Gewebespenden, seien es Hornhäute oder ganze Knochen, die den Leichen für eine Wiederverwertung entnommen werden. Selbst für das Skurille ist sich "Rest in Peace" nicht zu schade, wenn die Regisseurin eine Sequenz ihres Dokumentarfilms der primär in den USA verbreiteten Kryonik widmet.

"Rechtlich gesehen sind sie tot", erläutert ein Mitarbeiter einer solchen Firma in Bezug auf deren "Kunden". In der Hoffnung, irgendwann noch ihre Ur-Urenkel zu sehen oder für ihre in der Gegenwart tödlichen Krankheit in der Zukunft eine Heilung zu finden, lassen sich Menschen bei fast minus 200° Celsius erst einmal auf Eis legen.

 

Religiös wird es wieder beim Día de los Muertos, dem Tag der Toten. Ein besonderer Feiertag in Mexiko, für manche Einwohner sogar noch wichtiger als Weihnachten. Zu Allerheiligen versammeln sich die Familien an den Gräbern ihrer Angehörigen und essen dort die Lieblingsspeise des oder der Verstorbenen. In Kombination mit Musik und Kostümen wird dann ein entsprechendes Fest aus der Veranstaltung.

Andrea Morgenthaler gelang mit "Rest in Peace" ein interessanter Streifzug durch die kulturell-religiös verschiedenen Bestattungsrituale von Mexiko bis Nepal. Facettenreicher hätte der Film allerdings noch werden können, hätte man den Radius etwas größer gefaßt (beispielsweise durch die Integration von afrikanischen oder arabischen Kulturen).

 

Aber auch so vermag der Film vielleicht die eine oder andere Berührungsangst mit dem Thema "Tod" zu nehmen, sodaß man es letztlich mit Woody Allen halten kann: "Ich habe keine Angst vor dem Tod. Ich möchte nur nicht dabei sein, wenn's passiert".

Florian Lieb

Rest in Peace

ØØØ

Tot sein und was jetzt?

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Produktion: Österreich/Deutschland 2010

Videovertrieb: Filmladen

 

DVD Region 2

92 Min.

 

Regie: Andrea Morgenthaler

Links:

Kommentare_

mcm1985 - 14.03.2013 : 08.48
Als Schmeißfliege wiedergeboren zu werden ist doch auch etwas
ziemlich naiv zu Glauben das die Natur einen unterschied zwischen
einem Stück Fleisch oder einem Christ macht

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