Video_Pontypool - Radio Zombie

Reden ist Silber ...

... sterben ist Gold. Dieses kanadische Low-Budget-Horrorstück bietet nicht nur eine abenteuerliche Infektionstheorie. Zur unterhaltsamen Umsetzung seines Zombie-Kammerspiels bedient sich Regisseur Bruce McDonald auch uralter Hörspiel-Stärken.    04.12.2009

Die Zeiten, in denen der rebellische Radiomoderator Grant Mazzy (Stephen McHattie) seine ungefilterten, sarkastischen Kommentare noch im großen Stil anbringen konnte, sind vorbei. Der Berufszyniker und Provokateur ist längst aus der Hörfunk-Oberliga verstoßen und neuerdings für den Lokalsender von Pontypool in Ontario tätig. Seine Vorgesetzte Sydney Briar (Lisa Houle) und Assistentin Laurel Ann (Georgina Reilly) tun ihr möglichstes, um Mazzy den Abstieg in die Regionalität zu erleichtern und seinen Fokus neu zu justieren. Die Einwohner des verschneiten Pontypool interessieren sich halt in erster Linie für Meldungen über entlaufene Katzen und Entwicklungen des örtlichen Schulwesens. Dies ändert sich nachhaltig - und die Kleinstadtbeschaulichkeit nimmt ein abruptes Ende -, als Meldungen über mysteriöse Zusammenrottungen an der hiesigen Klinik von Dr. Mendez (Hrant Alianak) den Sender erreichen und schließlich das Militär in Pontypool einrückt ...

 

In einer einfallsreichen Variante des Zombie-Motivs umschiffen die Macher von "Pontypool" längst leergefischte Themengewässer und greifen gleichzeitig auf steinalte Rezepturen des Lagerfeuergeschichtenkinos und Hörspiels zurück. In seinen stärksten Momenten ist "Pontypool" nämlich ein echter Kammerspielgrusler. Die sich ausbreitende Gefahr erreicht den Zuschauer - in diesem Augenblick genauso abgeschnitten wie das überrumpelte Darstellertriumvirat - zunächst rein akustisch: Die eine gräßliche Eigendynamik entwickelnden Geschehnisse in der kanadischen Provinzstadt werden durch verstörende Zeugenberichte mittels Radiowellen und somit gänzlich ohne Bilder transportiert. Vom minimalistischen erzählerischen Ansatz einmal abgesehen, bleiben fundamentale Stützbalken eines fast jeden Zombiefilm-Konstrukts erhalten: eine Klinik, respektive das Wirken eines Wissenschaftlers als vermeintlicher Ursprung der Epidemie, die offenbar überforderten Militärstreitkräfte, Glasfenster als unüberwindbare Barrieren für jeden Infizierten. Eine neue Richtung wird hingegen in Sachen Übertragungsart des Virus eingeschlagen: Das etwas abstrus anmutende Konzept erinnert entfernt an den von Stephen King gewählten Ansatz für "Puls" ("Cell").

 

Als streitbarer Einzelkämpfer wider Willen stellt der granitgesichtige Stephen McHattie eine ausgefallene, aber doch gelungene Wahl dar: Als das Chaos ausbricht und die soziale Ordnung einstürzt, ist es ironischerweise gerade Schockmoderator Grant Mazzy, der als letzte freie Stimme Pontypools die Stellung hält. Die bodenständige Sydney Briar (Lisa Houle - McHatties zweite Ehefrau) dämmt Mazzys egozentrische Ausbrüche ein, bildet das ausgleichende Element und zugleich die einzige Unterstützung des wortgewaltigen Ex-Starmoderators.

Speziell die erste Filmhälfte erfrischt - ruhig erzählt und auf das Wesentliche reduziert - mit einem fast schon antik anmutenden Spannungsaufbau. Wer sich auf die eigenwillige Infektionstheorie einlassen und auf einen satten body count mit den üblichen Sturzbächen von Blut verzichten kann, den werden Grant Mazzys dunkle Predigten wahrscheinlich in ihren Bann ziehen. Wenn man sich jedoch auf den herausfordernden Talkshow-Host einläßt, ist eine Warnung angebracht: Immerhin lautet Mazzys Motto "Taking No Prisoners" - und der Mann steht zu seinem Wort.

Dietmar Wohlfart

Pontypool - Radio Zombie

ØØØ 1/2

(Pontypool)

Leserbewertung: (bewerten)

MIG (Kan. 2008)

DVD Region 2
96 Min. + Zusatzmaterial, dt. Fassung oder engl. OF

Features: Trailer

Regie: Bruce McDonald

Darsteller: Stephen McHattie, Lisa Houle, Georgina Reilly u. a.

Links:

Kommentare_

Filmfex - 04.12.2009 : 11.59
Habe mir den Film wegen der Besprechung gekauft und fand ihn total spannend und atmosphärisch außergewöhnlich dicht. und das, obwohl (oder gerade weil) uns die Macher grindigen Splatter-Horror ersparen. Danke für den Tipp!!!
/aw/ - 10.12.2009 : 13.57
Ganz starker Streifen, der nur am Ende (zwangsläufig) zusammenbricht, aber bis dahin vor allem im Originalton dank Mazzies Stimme ein höchst erfreulicher Reißer. Mit Kopfhörern anschauen!
Walter - 22.02.2010 : 19.10
Very nice! Was es nicht alles so an guten Horror Filmen gibt auf der Nebenspur. Hätte ich ohne Evolver wohl komplett übersehen.

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