Video_Master and Commander
Master of Disguise
Peter Weirs Ausflug auf die Ozeane des 19. Jahrhunderts ist ein inkonsistent geratener Mix aus mitreißenden Seegefechten, moralischen Kleinkriegen und sprödem Matrosenalltag.
21.04.2004
Im Jahre 1805 - das britische Empire befindet sich gerade im Krieg mit Napoleon - entsendet England die "H.M.S. Surprise" unter der Führung von Captain "Lucky Jack" Aubrey (Russell Crowe) vor die brasilianische Küste. Dort soll die "Acheron", eine hochgerüstete französische Superfregatte, abgefangen und aufgebracht werden. Doch Aubrey wird überrascht, die "Surprise" vom feindlichen Schlachtschiff attackiert und schwer beschädigt. "Lucky Jack" sieht sich mit einem übermächtigen Gegner konfrontiert: Die "Acheron" ist größer, schneller und schwerer bewaffnet als die altersschwache "Surprise". Wie aus dem Nichts schlägt der Franzose zu - Aubrey wird unversehens vom Jäger zum Gejagten und rettet sein havariertes Schiff in eine Nebelbank. Mit knapper Not entkommen, schmiedet der alte Fuchs sogleich Pläne für den Gegenschlag. Trotz ernsthafter Bedenken seiner Besatzung nimmt der Kapitän die Verfolgung des Phantomschiffs auf.
"Master and Commander - Bis ans Ende der Welt" beruht auf Patrick O´Brians 20 Bücher starken Romanserie rund um die Abenteuer von Captain Aubrey und seinem treuen Weggefährten Dr. Stephen Maturin. Regisseur Peter Weir, Australiens Meister der örtlich wie ideologisch abgekapselten Charaktere, wagte sich an eine Adaption der Seefahrersaga. Daß bei diesem Abstecher in unbekannte Gewässer gerade Weirs größte Stärke, die glaubhafte Konstruktion isolierter Mikrokosmen, niemals zur vollen Entfaltung gelangt, ist eine unangenehme Überraschung; eine Schwäche, die den eigentlich sehenswerten Streifen an der Erlangung wahrer Größe hindert.
Weir, der auch an der Entstehung des Drehbuchs beteiligt war, scheitert daran, dem Figurenensemble die nötigen Ecken und Kanten zu verleihen. So berührt das unausweichliche Ableben diverser Nebencharaktere im Verlaufe des Films nicht wirklich - die Seebestattungen derselben verkommen zum emotionslosen Formalakt. Stärker entwickelt wurden glücklicherweise die beiden Hauptfiguren. Der resolute Jack Aubrey, pflichtbewußt bis auf die Knochen und einem guten Kampf nie abgeneigt, scheint maßgeschneidert für Russell Crowe, der bei seiner Interpretation der Romanfigur stets darauf bedacht ist, Autorität und Abenteuerlust in ein gesundes Verhältnis zu bringen. Jacks alter Kumpel Maturin (Paul Bettany) hingegen ist ein Mann der Wissenschaft, ein Forscher und Bücherwurm, der die militärische Zielsetzung seines Freundes bestenfalls widerstrebend zur Kenntnis nimmt. Als Aubrey trotz der offensichtlichen Überlegenheit des Feindes die Verfolgung des französischen Phantoms weiter forciert, entbrennt zwischen den beiden Freunden ein ideologischer Konflikt.
Beide Darsteller überzeugen, obgleich Crowes "Lucky Jack" weder die mythischen Proportionen eines Maximus ("Gladiator") noch den psychologischen Feinschliff des schlagkräftigen Bud White ("L. A. Confidential") besitzt. Als introvertierter, verletzlicher Schiffsarzt Maturin gibt Paul Bettany jedenfalls eine gelungene Kontrastfigur ab. Bleibt noch der dritte "Hauptakteur" im Bunde - die "Acheron". Dieses unheimliche, hölzerne Ungetüm vergiftet nicht nur die Gedanken der abergläubischen Crew, sondern stachelt deren kampflustigen Captain auch zu riskanten taktischen Winkelzügen an.
Weir legte bei seiner filmischen Umsetzung vor allem Wert auf eine realistische Inszenierung des rauhen Seemannslebens und geht sparsam mit dramatischen Höhepunkten um. Die opulenten Action-Sequenzen sind spannend und atmosphärisch inszeniert, das Hauptdarstellergespann agiert souverän. Dabei fährt Weir einen sicheren Kurs und umschifft konsequent die tieferen Abgründe seiner Figuren.
Dietmar Wohlfart
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