Video_Little Fish
No Exit
Ex-Junkie Tracey probt den Ausbruch aus dem Milieu. Das Aussie-Drama "Little Fish" nähert sich seiner drogengeschädigten Schicksalsgemeinschaft mit viel Sorgfalt.
19.12.2006
Das ständige Ringen mit ihrer drogenbeeinflußten Vergangenheit gehört für Tracey (Cate Blanchett) zum Alltag. Nach erfolgreichem Entzug hat sie eine Stelle in einem Videoverleih-Shop ergattert. Vier Jahre harter Arbeit später konnte sich Tracey in dem Geschäft etablieren und strebt nun die berufliche Partnerschaft mit dem Geschäftsführer Mingh (Jason Chong) an. Doch das nötige Startkapital wird ihr von den Banken verwehrt, die über ihre persönlichen Fehltritte von einst bestens im Bilde sind. Traceys Wunsch nach einem Neuanfang wird somit bereits im Keim erstickt, ihre Zukunft verschwimmt in einem Nebel des Ungewissen.
Ähnlich verhält es sich mit den Angehörigen und engeren Vertrauten der leidgeprüften Protagonistin, deren Leben gleichfalls durch die bedrohlichen Ausläufer der Drogensubkultur bestimmt werden. Sowohl Lionel (Hugo Weaving) - ein früherer Rugby-Star, der seiner Sucht krampfhaft Herr zu werden versucht - als auch Traceys Bruder Ray (Martin Henderson) sowie ihr Exfreund Jonny (Dustin Nguyen) sind fest in der Welt des Rauschgiftkonsums und der Dealerei verankert.
Ganz ohne die provokante Drastik von Aronofskys Sucht-Meisterwerk "Requiem For A Dream" kommt das kleine australische Drogendrama "Little Fish" daher. Hier werden die Protagonisten, die allesamt tief im verhängnisvollen toxischen Sumpf stecken, ruhig aus der Distanz analysiert. Die größte Aufmerksamkeit erfährt dabei Tracey, die ruhelose, auf persönliche Läuterung bedachte Ex-Abhängige, die verzweifelt darum bemüht ist, ihr Leben neu auszurichten. Doch die Verweise, die Fallen und Folgen des Drogenkonsums, werden ihr stets schmerzvoll vor Augen geführt: So versucht etwa Lionel, der väterliche Freund Traceys, der sie einst zum Heroin führte, erfolglos seine verpfuschte Existenz zu reparieren. Allein mit seiner Anwesenheit stellt er Tracey auf die Probe, bringt sie immer wieder mit der Sucht in Kontakt und fungiert als Mahnmal aus Fleisch und Blut, als verheerendes Exempel eines Drogenwracks auf dem Weg in den endgültigen Abgrund.
Auch unter dem eigenen Dach - vielmehr zu Hause bei der leidgeprüften Mutter (Noni Hazlehurst) - haust die Versuchung: Bruderherz Ray - nach einem Autounfall nur noch im Besitz eines Beines - ist als Kleinganove und Dealer unterwegs. Noch dazu drängt sich Jonny, der Verursacher besagten Unglücks, nach Jahren der Abwesenheit wieder in den desolaten Mikrokosmos der gezeichneten Familie und verstärkt somit die natürliche Unruhe.
Die Lüge ist der integrale Bestandteil dieser beschädigten kleinen Gemeinschaft im Herzen Little Saigons, eines Außenbezirks von Sydney, der seinen Namen dem hohen Anteil vietnamesischer Einwanderer verdankt: Tracey verschweigt ihre abgewiesenen Darlehensansuchen; Lionel belügt sich selbst, indem er an seiner angestrebten "Selbstreinigung" und Flucht aus der Heroinhölle festhält; Ray verheimlicht seine kriminellen Machenschaften; Jonny ist nicht der, der er zu sein scheint. Einzig das Dealer-Schwergewicht Bradley "The Jockey" Thompson (Sam Neill), das seinen permanenten Rückzug aus dem Geschäft vorbereitet, verbleibt als Mann, der zu seinem Wort steht. Aber selbst er führt ein Doppelleben und frönt regelmäßig seiner Lust nach intimen Begegnungen mit angemieteten jungen Knaben. Diese tragischen Figuren verbindet eine gemeinsame Vergangenheit, nach der sie sich sehnen, aus der allerdings auch - als Folge ihrer Verstrickungen innerhalb der Szene - eine unverrückbare, fegefeuerähnliche Endkonstellation entstanden ist, aus der es kein Entkommen gibt.
"Little Fish" zeichnet sich vor allem durch seine bedachtsam-distanzierte, analytische Erzählweise aus. Die potentielle Durchschlagskraft des Films wird durch diese besonnene, fast ein wenig zu unspektakulär und nüchtern anmutende Herangehensweise jedoch gleichermaßen limitiert. Ein bißchen aufregender hätte es schon sein dürfen ...
Dietmar Wohlfart
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