Video_Lady Snowblood
Eine Frau sieht rot
1973 erschütterte der erste weibliche Todesengel das japanische Samurai-Kino. Die getriebene Schönheit gibt es nun auch auf DVD für die Sammlung.
15.03.2005
Es schneit rot im Japan des 18. Jahrhunderts. Yuki kommt zur Welt, wird geboren im Gefängnis. Dort hat man ihre Mutter Sayo eingesperrt, weil sie einen Mann getötet hat. Dabei war der kein Unschuldiger, sondern einer ihrer vier Vergewaltiger. Und er gehörte zu einer Gruppe von Gesetzlosen, die kurz zuvor auch noch Sayos Ehemann gemeuchelt hatten. Das schrie nach Vergeltung, und Sayo schlief mit jedem Wächter, um endlich schwanger zu werden und einen starken Sohn zu bekommen, der den Tod des Vaters rächen sollte. Doch auf dem Kindbett stirbt die Mutter bloß neben einer Tochter. Und so wird jetzt eben die kleine Yuki in die Hände eines auf die Kunst des Tötens spezialisierten Mönches gegeben und zur Killerin ausgebildet. Mit 20 Jahren ist Yuki dann nicht nur wunderschön anzusehen, sondern auch ein tödliches Werkzeug der Rache, das sich auf den Weg macht, den Sinn ihres Daseins zu vollziehen.
Selbst ernste Schwert-Schinken wirken neben diesem hier wie heitere Messerstechereien. Regisseur Toshiya Fujita läßt keine Sekunde Zweifel aufkommen, daß eine Vendetta nicht nur am besten kalt (und ironiefrei) serviert wird, sondern auch überhaupt keinen Spaß macht. Die schneebleiche Yuki (Kaji Meiko) vollzieht ihre Rache mit einer stoisch ungerührten Pflichterfüllung, die einem das Herz zerreißt. "Hör auf!", möchte man seinen DVD-Player anschreien, wenn immer deutlicher wird, daß die Schurken ihren blutreichen Tod zwar mehr als verdient haben, doch der Sog der Revanche auch Unschuldige mitreißt. Das Ende ist schließlich so bitter, daß man ein paar Tage lang nur noch Komödien anschauen mag (aber: Es gab sogar eine Fortsetzung!).
Schade, daß erst ein Tarantino kommen muß, um solchen Perlen zu neuen Ehren zu verhelfen. Immerhin macht er keinen Hehl daraus, daß "Lady Snowblood" für ihn eine der Inspirationsquellen für "Kill Bill" war. Man könnte es auch als Buße sehen, denn er hat da ja wirklich ganz schön kräftig abgegriffen: bei der Story, bei formalen Eigenwilligkeiten, bei der Filmmusik und bei einem ganzen Set. Trotzdem wird die tragische Geschichte der Yuko in dieser technisch einwandfreien DVD-Umsetzung hoffentlich nicht nur Tarantino-Fans gefallen. Obwohl das Blut hier in extrem plakativer Weise aus den Körpern spritzt, ist "Lady Snowblood" gewiß kein Pulp-Streifen und erheblich mehr als vordergründiges Schwertgeschepper.
In diesem actionreichen Kunstfilm steckt ein wütender politischer Kommentar - und eine bittere Moral, der sich auch bessere westliche Rachefilme meist verweigern. Zugleich gibt es kaum eine Einstellung, die man sich in ihrer Schönheit nicht an die Wand hängen möchte. Die mordende und doch bis zum Ende unschuldig-reine Yuki schwebt förmlich durch stark stilisierte Sets und räumt verlogene wie unwürdige Gegner mit leichtfüßiger Verletzbarkeit aus der Welt. Experimentaldetails wie Off-Sprecher, Montagen, Comic-Einlagen und Wackelkamera überhöhen die Filmerzählung zu einer Mischung aus Legende und Dokumentation. (Der süßliche Soundtrack, beim Titelstück persönlich gesungen von der Heldin des gnadenlosen Vendetta-Videos, krallt sich dabei schmerzhaft ins Herz). Kurz gesagt: Schluck’. Muß man gesehen haben.
Andreas Winterer
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