Video_Jack Reacher
Herumtreiber vs. Parkuhrfütterer
Je langlebiger eine Romanreihe gerät, desto wahrscheinlicher wird eine Adaption fürs Kino. Auf 19 Bücher hat es Jack Reacher, der bullige Ex-Militärpolizist des Autors Lee Child, bisher gebracht. Im vergangenen Jahr prügelte sich die Figur erstmals über die Leinwand - ausgerechnet in Gestalt von Hollywood-Star Tom Cruise.
06.05.2013
Eines der Merkmale, das unumgänglich für die Charakterisierung eines Helden ist, dürfte sein Gerechtigkeitsverständnis sein. "Das Gesetz ist ihm egal", heißt es am Ende von "Jack Reacher" über denselben. "Beweise sind ihm egal. Ihm geht es nur um Gerechtigkeit." Dabei sieht sich die Figur selbst nicht als Retter. "Ich bin kein Held", verrät Jack dem Publikum im zweiten Akt.
"Ich bin ein Herumtreiber, der nichts zu verlieren hat." Mit Reacher legt man sich also besser nicht an. Er ist ein hochdekorierter ehemaliger Militärpolizist mit so vielen Auszeichnungen, daß eine Figur im Film fast eine Minute braucht, um sie alle aufzulisten; eine Naturgewalt von 1,96 Meter Größe, die in "Jack Reacher" vom eher kleingewachsenen Tom Cruise gespielt wird.
Dessen Besetzung als Jack Reacher sorgte im Vorfeld für Diskussionsstoff, ist der Hollywood-Star doch fast 30 Zentimeter kleiner als die Romanfigur des britischen Bestseller-Autors Lee Child. Der Verfasser wiederum wies darauf hin, daß die Größe der Figur nur Ausdruck ihrer Unaufhaltsambarkeit sein solle. Für Unkundige der Romanreihe dürfte das alles ohnehin zweitrangig sein - sie wissen lediglich, daß Cruises Reacher hochdekoriert ist.
Als im Filmbeginn ein Scharfschütze mehrere Leute erschießt und die Tat einem ehemaligen Soldaten anhängt, verlangt der wiederum nach Jack Reacher statt einem Anwalt. "Man findet ihn nur, wenn er gefunden werden will", hat der ermittelnde Agent Emerson (David Oyelowo) über den von der Gesellschaft abgeschottet lebenden Reacher in Erfahrung gebracht. Und dann klopft Reacher auch schon an die Tür.
Als der Tatverdächtige allerdings ins Koma geprügelt wird und seine Beziehung zu Reacher sich ohnehin als eine andere herausstellt, als es zu Beginn den Anschein hatte, will der Ex-Militärpolizist wieder das Weite suchen - wäre da nicht die Verteidigerin Helen Rodin (Rosamunde Pike), die ihren Mandanten gegenüber ihrem Vater und Staatsanwalt (Richard Jenkins) vor der Todesstrafe bewahren will.
Wider Erwarten kann sie Reacher überzeugen, als ihr Ermittler in Aktion zu treten, und der hochdekorierte Soldat wird auch sogleich fündig. "Ein Beweisstück würde ich ja glauben", sagt Reacher angesichts der vielen überführenden Indizien. "Aber alle?" Besonders fragwürdig erscheint, daß der Täter ein Parkticket gezogen haben soll, ehe er zum Mörder wurde.
"Was für ein Typ füttert die Parkuhr?" fragt sich Reacher und kommt allmählich einer Bande russischer Krimineller auf die Spur, die versuchen, eine Klage gegen eine ihrer legalen Firmen im Keim zu ersticken. Weil "Jack Reacher" aber keine Verfilmung eines Romans von John Grisham ist, sondern die eines Lee-Child-Krimis - genauer gesagt des 9. Buchs "Sniper" -, wird Gerechtigkeit nicht im Gerichtssaal, sondern mit den Fäusten erteilt.
Der eher schmächtige Cruise kriegt es dabei in der Regel mit einer Gruppe von Gegnern zu tun, die er in kurzen Actionszenen außer Gefecht setzen darf. Allerdings sind weder die Kampfszenen noch die vermeintliche Verschwörung, der Reacher und Rodin im Verlauf der Handlung auf die Spur kommen, sonderlich originell. Ohnehin - und das ist wohl der größte Vorwurf an den Film - ist "Jack Reacher" ein gewöhnlicher Action-Thriller vom Genrefließband.
Hinzu kommt, daß die Figuren der Geschichte allesamt oberflächlich geraten sind. Die Motivation von Rodin wird ebenso wenig klar wie die von Reacher selbst. Will der Protagonist der Anwältin zuerst nicht helfen, weil die Beweise eindeutig gegen ihren Mandanten sprechen, so macht die Regie dem Zuschauer später weis, Beweise seien Reacher egal.
Daß bis auf Cruise, Jenkins und Robert Duvall (als Schießstandbesitzer) das Ensemble eher unterdurchschnittlich spielt - insbesondere Oyelowo und Pike -, hilft dem Streifen auch nicht. Als namenloser Antagonist "The Zec" wurde dabei Regisseur Werner Herzog besetzt, dessen Auftritt so skurril wie kurzweilig und unerklärlich ausfällt.
Man merkt "Jack Reacher" an, daß es sich um die Verfilmung einer wahllos herausgegriffenen Story aus der fast 20 Bücher umfassenden Reihe handelt. Die Geschichte ist simpel strukturiert und leidlich spannend, die Figuren sind oberflächlich gezeichnet und mittelmäßig motiviert. Das Ergebnis ist somit ein Film von der Stange, der zwar keinesfalls schlecht geraten ist, allerdings auch nie wirklich überdurchschnittlich.
Im Gegensatz zum Film läßt Paramounts Blu-ray von "Jack Reacher" (technisch) keine Wünsche offen. Das Bild ist nahezu perfekt: scharf und detaillreich, eine Spur grobkörnig um der Nostalgie willen. Fast ebenbürtig ist der von Raumklang wie Deutlichkeit her überzeugende 7.1-DTS-HD-Sound. Als Extras warten drei Featurettes, die Einblicke in die Actionszenen sowie die Figur Jack Reacher und ihre Umsetzung geben. In ähnlicher Form, wenn auch ausführlicher und umfangreicher, werden diese Themen noch einmal im gefälligen Audiokommentar von Hauptdarsteller und Produzent Cruise mit Regisseur Christopher McQuarrie abgehandelt.
Florian Lieb
Kommentare_