Video_Hostel
Blutgericht in Bratislava
Mann kriegt, was er verdient - besonders, wenn er jung, amerikanischer Rucksacktourist und auf der Suche nach dem "Fick seines Lebens" in Osteuropa ist.
07.11.2006
Paxton und Josh, zwei erlebnishungrige US-College-Trübsalbläser, wie sie in dieser Form aus so gut wie jedem herkömmlichen Horrorfilm bekannt sind, "are doing Europe". Dort wollen sie nach und vor dem prüden Campus-Leben zu Hause in Amerika noch schnell "einen draufmachen" und was erleben, zum Beispiel in Amsterdam. In diesem Sündenbabel wird Party gemacht, werden Drogen halbwegs kontrolliert mißbraucht, traut man sich Dinge zu sagen, die man daheim nie in den Mund nehmen würde, und naturgemäß hofft man auch auf wilden Sex mit hemmungslosen Europäerinnen. All das, was der typische Rucksacktourist halt unter einem aufregenden Urlaub versteht ...
Titties & Beers
In Amsterdam ist die Sache einfach; Dope und Mädchen kann man dort bekanntlich für Dollar oder Euro kaufen. Doch das ist den Jungs, die in der Zwischenzeit dank des witzigen Isländers Oli zum Trio angewachsen sind, viel zu einfach und daher auch zu langweilig. Sex gegen Geld ist nicht einmal für Amis eine Herausforderung.
Dankbar nehmen die abenteuerlustigen jungen Herren daher den Tip eines jungen russischen Strizzis an: Eine Jugendherberge in Bratislava sei für Kerle ihres Formats der Himmel auf Erden. In der Slowakei angekommen, findet man das Etablissement sogleich wie im Prospekt beschrieben vor. Auf dem Zimmer warten schon Natalja und Swetlana, um mit den Buben ein wenig "Wellness" zu machen. Man geht in die Sauna, intoniert altrussisches Liedgut und landet nach einem Zwischenstop in der Techno-Disco im osteuropäischen Himmelbett, wo feste Brüste, knackige Hintern und feuchtheiße Lippen zum Standardprogramm gehören.
Bis dahin wird so ziemlich jedes Klischee des Genres bedient: Die Mädchen sind prall, das Fleisch ist willig, der Geist sehr schwach und der allseits hochgelobte Eli-Roth-Film "Hostel" (sein zweiter nach "Cabin Fever") stinklangweilig. Das alles ändert sich, wenn auch nicht besonders schlagartig, als nach der ersten Lustnacht der Isländer beim Durchzählen fehlt. Oli scheint verschwunden (auch wenn er sich höchst verdächtig übers Handy meldet), und die Mädchen sind auch schon viel weniger willig ... Die Kurve zum "aufregenden" Film kratzt der Streifen nun zwar nicht auf eine besonders eigenständige, dafür aber um so konsequentere Weise.
Die beiden Slowakinnen waren nämlich nicht nur versaute Liebesgöttinnen (was für eine Überraschung!), sondern in erster Linie Kollaborateurinnen einer slowakischen "Entertainment-Company", die einer zahlenden Millionärsklientel aus aller Welt Schlachtopfer anliefert. Und die werden dann in einem nahen Kellergewölbe prompt ihrer Bestimmung zugeführt. Selbstredend steckt auch die slowakische Exekutive in dem gutgehenden Geschäft mit drin. Daher nützt auch eine panische Anzeige nichts, daß der beste Freund gerade zu Tode gemartert wurde. Die Bullen wissen Bescheid und schalten auf sturer Beamter.
Die perversen Herren reisen also weiterhin ungehindert von überallher an, wo man das Töten (noch) nicht günstig kaufen kann: aus Deutschland, Japan (Hallo, Miike-san!) und den USA. Wie hätten Sie´s denn heute gern? Schnell oder langsam? Sadistisch oder mit einem schlichten Kopfschuß? Das kleine, feine Busineß-Modell der Ostverbrecher weckt im Zuseher die bange Frage: "Ja, könnte sowas denn wirklich funktionieren?" (Eli Roth sagt ja, wenn auch in Thailand und nicht in Bratislava ...)
Jedenfalls tappen alle drei Protagonisten von "Hostel" in die Sex-Falle - und ab hier wird´s "lustig".
The torture never stops
Dreizack, Schlagbohrer, Lötkolben, Skalpell und Kettensäge kommen in den Kellergewölben der slowakischen Fabriksruine, irgendwo in der Einöde, ausgiebig zum Einsatz. Es gibt kaum Überlebende - und die die paar, die davonkommen, schauen danach gar nicht mehr gut aus. Man muß mit dem ziemlich eindeutigen Humor des Regisseurs schon etwas anfangen können, wenn er die Kamera detailverliebt draufhält, bis der Augapfel aus der Höhle rutscht. Aber genau dann hat eben auch der Splatter-Gourmet seine Gaudi ...
Ebenfalls sehr entzückend: die Kinderschlägerbande, die für Kaugummis Auftragsmorde begeht. Was für süße Fratzen! Sind die im wilden Europa wirklich so? Keine Angst, ist ja alles nur ein Film; bei den Dreharbeiten wurden weder Kinder noch Jugendliche ernsthaft beschädigt.
Der Showdown von "Hostel" ist dann allerdings doch ein wenig blaß und durchsichtig geraten. Das liegt wahrscheinlich auch daran, daß die Herren Roth und Tarantino (der die DVD offiziell "präsentiert") gerade dabei sind, den zweiten Teil abzudrehen. Wir werden´s erwarten.
Die DVD-Ausstattung ist mit Audiokommentaren des Regisseurs, des Produzenten-Teams oder wahlweise diverser Akteure sowie einer Szene aus mehreren Blickwinkeln sehr dürftig ausgefallen, dafür ist das Cover der Special-Edition aus Metall. Man kann sich damit also fest auf den Kopf schlagen, wenn man das gern hat, um so mit den Protagonisten ein wenig mitzufühlen.
Alles in allem sollte sich jeder, der bei der obigen Beschreibung nicht schon davongelaufen ist, die Sache gern einmal anschauen. Eventuell sogar vor einem 16-Unzen-Steak, das bitte blutig und nur mit den Fingern zu essen wäre - weil´s dann einfach besser schmeckt.
Walter Reiterer
Kommentare_
Tja was soll ich sagen? Das ist irgendwie die amerikanische Ignoranz gegenüber allem was sich ein paar Meter ausserhalb der USA abspielt. Die armen, verrohten Europäer, haha!