Video_Holiday Inn
Schwarzweiße Weihnacht
Wer den Farbfilm "White Christmas" vor allem wegen des gleichnamigen Songs mag, kann jetzt endlich zum Original greifen. Wir schreiben das Jahr 1942 ...
23.12.2004
Ted Hanover (egoistisch: Fred Astaire) und Jim Hardy (schüchtern: Bing Crosby) sind im Dauerstreß: Gemeinsam mit Lila Dixon (leichtlebig: Virginia Dale) tanzen und singen sie sich allabendlich einen Wolf. Kein Wunder, daß Jim sich wünscht, einmal eine ruhigere Kugel zu schieben.
Die Gelegenheit dazu ergibt für ihn sich schneller, als er seine Pfeife ausklopfen kann. Sein ambitionierterer Partner Ted macht sich nämlich gerade mit der gemeinsamen Lila aus dem Staub. Von allen verlassen, sucht Jim die ländliche Einsamkeit und eröffnet dort kurzerhand ein Tanzlokal. Damit das nicht in Arbeit ausartet, hat das "Holiday Inn" nur an Feiertagen geöffnet. Natürlich braucht Jim eine neue Show-Partnerin als Ersatz für Lila. Er findet sie in der entzückenden Linda Mason (entzückend: Marjorie Reynolds). Und so wäre alles honigsüß ... würde nicht die kesse Lila unterdessen ihren Ted gegen einen Millionär tauschen, woraufhin der sich an seinen alten Freund Jim erinnert, ihn besucht und prompt ein Auge auf dessen neue Partnerin wirft.
Es folgenden die üblichen Wirrungen und Irrungen einer Jim-Ted-Lila-Linda-Dutzendstory für Weihnachtsfilme. Wie in vielen anderen Movies der Musical-Ära Hollywoods dient der pergamentene Plot vornehmlich als Vehikel für Tanznummern (Astaire) und Gesangseinlagen (Crosby).
Dennoch kittet die Geschichte alle Zutaten stimmig zu einem einzigartigen Klassiker des Musical-Films, in dem jeder Song einem amerikanischen Feiertag gewidmet ist. Astaire bringt zwei seiner besten Nummern ein: den legendären "tap dance" mit Feuerwerkskrachern und den Paartanz als Betrunkener, den er angeblich nur mit sieben Bourbon im Bauch bewältigte. Bing Crosby wiederum wurde mit dem Oscar-prämierten Hit "White Christmas" zur Radiostimme des Weihnachtfests, hier in einer angenehm zurückhaltenden Version ohne die säuselnden Background-Vocals späterer Versionen. Skurrilitäten gibt es auch: Weil die USA nach dem Angriff auf Pearl Harbor im Dezember ´41 in den zweiten Weltkrieg eintraten, tauchen im Film bei der Nummer zum Unabhängigkeitstag plötzlich patriotische Propagandabilder auf, deren nachträgliche Montage einem ins Gesicht springt, als würde in Michael Bays "Pearl Harbor"-Geknalle plötzlich Nicole "Ein bißchen Frieden" singend durchs Bild latschen.
Vielleicht waren es Kleinigkeiten wie diese, die 1954 zum Technicolor-Remake "White Christmas" ("Weiße Weihnachten") führten. Crosby trällert hier erneut die wichtigen Songs, statt Astaire schwingt nun aber Danny Kaye das Tanzbein. Crosby ist sichtlich gealtert, der große Danny Kaye für seine Verhältnisse nicht ganz auf der Höhe (besser: "Der Hofnarr"). Und obwohl auch in "White Christmas" die Musik von Irvin Berlin stammt und mit Michael Curtiz kein Kleinkaliber Regie führte, ist das Remake trotz Vistavision, Technicolor und viel Komik künstlerisch blasser als das Schwarzweiß-Original. Jedenfalls ein bißchen.
Die DVD "Holiday Inn" kommt mit ausschließlich englischer Tonspur, verzichtet auf den blödsinnigen Regionalcode und läuft daher auch als Import in allen Playern. Die Abraham-Lincoln-Nummer, die viele US-Sender wegen der geschwärzten Gesichter schamvoll herausschneiden, wurde im Film belassen. Das Bonusmaterial glänzt: Ein längeres Feature zeichnet die Karrieren von Bing Crosby und Fred Astaire nach, die nur in wenigen Filmen gemeinsam auftraten, und verwendet dazu viele Filmclips, Archivaufnahmen und Fotos. Ein kurzes Feature zeigt die technischen Probleme der Kameraarbeit bei Tanzfilmen. Interessante Anekdoten hält schließlich noch die Audiokommentar-Tonspur von Filmhistoriker Ken Barnes bereit, die mit Tonarchivaufnahmen bereichert wurde. Alles in allem eine gute DVD-Umsetzung mit erfreulicher Ausstattung und tadelloser Bild- und Ton-Qualität. Ja, es gibt bessere Musicals, es gibt auch bessere Tanzfilme – aber gewiß kein besseres Weihnachts-Musical. 100prozentige Schneuzgarantie für alle, die kein Herz aus Stein haben.
Andreas Winterer
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