Video_Elektra
Man muß nicht blind sein ...
Das Mädchen ohne Schwefelhölzer: Daredevils attraktives Betthäschen schwingt lieber überdimensionierte Grillspieße. Warum sich die DVD trotzdem auszahlt.
22.08.2005
Die zähe Kriegerin Elektra gehört zweifelsohne zu den bekanntesten von Comic-Legende Frank Miller kreierten Figuren aus dem Marvel-Universum. Miller schuf sie einerseits, um endlich aus dem gängigen Muster auszubrechen, demzufolge Superhelden stets mit Normalsterblichen romantische Bande knüpfen müssen, andererseits aber auch, um die unter seiner Führung stets beliebter werdenden "Daredevil"-Abenteuer mit einer weiblichen Note zu versehen. Bald mauserte sich die gebrochene Rachegöttin, Marke "Harte Schale und irgendwo tief drin ein weicher Kern" zum Publikumsliebling.
Angesichts des derzeit florierenden Hollywood-Geschäfts mit Comic-Verfilmungen und nach dem bemerkenswerten Auftritt von Jennifer "Alias" Garner in der ansonsten eher schwachbrüstigen "Daredevil"-Verfilmung überraschte es kaum, daß sich die Verantwortlichen zu einem Spin-off entschlossen. Doch wenn Buchhalter das Sagen haben, muß man bekanntlich selbst die geringste Erwartungshaltung über Bord werfen.
Herausgekommen ist bei Rob Bowmans "Elektra"-Verfilmung ein blutleeres Spektakel, ein fadenscheiniger PG-13-Firlefanz, der eher als "Mortal Kombat"-Streifen oder "Highlander"-Derivat durchginge und mit der "echten" Elektra ungefähr so viel gemein hat wie Christopher Bales Batman-Interpretation mit der von Adam West.
Die Spannungskurve liegt weit unter null, die Charaktere sind hölzern und auf dem Reißbrett entworfen, Beziehungen zwischen den Figuren kann man ebensolange suchen wie logische Zusammenhänge.
So wurschtelt sich Fräulein Garner quer durchs Geschehen, knutscht mit dem feschen Kroaten-Doc aus "Emergency Room" und baut trotz erkalteter Ermotionen im Handumdrehen Muttergefühle zu der unnötigen Göre auf, die angeblich irgendeine wichtige mythologische Bedeutung haben soll. Warum sich nebenbei die ganze Zeit irgendwelche böse Computerspiel-Schergen in gelben Nebel auflösen oder glühwürmchenähnliche Schlangen, die noch dazu fliegen können, den Protagonistinnen hinterherhetzen, hat sich wahrscheinlich nicht eimal der Drehbuchautor überlegt.
Die einzigen Kieselsteine in der Brandung sind Terence Stamp als Lehrmeister Elektras und die pittoreske Natassia Malthez als Typhoid Mary, die dank viel Schminke fast als Kelly-Hu-Lookalike durchgehen könnte.
Diese Figuren dürften auch schon der einzige Teil des Films gewesen sein, wo Drehbuchautor Zak Penn sich - wieder auf "Mortal Kombat"-Niveau - austoben durfte, was bestenfalls Freunde des 80er-Jahre-Tschinbumm-Kinos amüsant finden werden. Da werden etwa Tätowierungen bei Bedarf lebendig, während die Berührungen besagter Typhoid Mary alles Lebendige absterben lassen und ihr Kuß sogar töten soll. Den Oberboß der fiesen Geheimgesellschaft "The Hand" (welch klingender Name!) gibt übrigens Cary-Hiroyuki Tagawa, der seinerzeit auch in Paul W.S. Andersons "Mortal Kombat"-Verfilmung als asiatisch anmutender Vorzeigebösewicht der Traumfabrik fungieren durfte. Warum Papa Roshi der spätere Tod seines Sohnes Kirigi durch Elektras manikürte Finger ganz und gar nicht berührt, sollte man sich allerdings keinesfalls fragen.
Während Sam Raimi, Bryan Singer und zuletzt Chris Nolan vorführten, wie exzellente Superhelden-Verfilmungen auszusehen haben und Guillermo del Toro sowie Jonathan Hensleigh herrliches Popcorn-Kino produzierten, versinkt Rob Bowman in Belanglosigkeit. Besaß Johnsons unausgegorener "Daredevil" wenigstens seine Momente, so reiht sich "Elektra" gleich hinter dem Halle-Berry-Debakel "Catwoman" und der Leeschen "Hulk"-Fadesse ein. Es verwundert daher kaum, daß die DVD-Auswertung nicht nur schnell erfolgte, sondern auch gleich mit einem Verkaufspreis von nur 9,90 Euro an den Start ging.
Genau hier wird es für Liebhaber von (Superhelden-)Comics aber auch interessant. Wie schon beim ersten "Daredevil"-Release befindet sich auch auf der "Elektra"-DVD eine fast einstündige "Vom Comic zum Film"-Dokumentation, die nicht nur Einblick hinter die Marvel-Kulissen gewährt, sondern auch ausführliche Interviews mit Frank Miller, Greg Rucka und anderen Comic-Größen über die Entwicklung ihrer jeweiligen Karrieren, das Comic-Biz im allgemeinen und natürlich die Figur Elektras beinhaltet. Somit stellt sie eine anschaffenswerte Ergänzung zu den "Daredevil"-Featurettes dar. Darüber hinaus gibt es Deleted Scenes mit optionalem Regiekommentar (darunter einen Cameo-Auftritt von Ben Affleck als Matt Murdock) und das übliche Promo-"Making of".
Für den 18. Oktober ist in den USA bereits der "Unrated Director´s Cut" als Doppel-DVD angekündigt, auf der besagte Doku voraussichtlich nicht enthalten sein wird, die aber mit zahlreichen neuen Features aufzuwarten weiß. Ob die neue Fassung eine Verbesserung mit sich bringen wird, darf man jetzt schon bezweifeln.
Jürgen Fichtinger
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