Video_DVD-Tips 4/2007

Diebe, Punks & Possenreißer

Simon Pegg als Mitbewohner, popkulturelle Vergangenheitsbewältigung und blondes Gift hoch vier finden sich diesmal neben rückwärtssprechenden Zwergen und dämlichen Ausflüglern auf hoher See.    16.05.2007

Jürgen Fichtinger

Die Super-Ex


(USA 2006/Region 2/Kinowelt)

 

Wie gefährlich stinknormal verrückte Exfreundinnen sein können, weiß man spätestens seit Adrian Lynes "Eine verhängnisvolle Affäre". Jetzt zeigt Ivan Reitman mit "My Super Ex-Girlfriend", was passiert, wenn die ehemalige Herzensdame noch dazu Superheldin ist: Tolpatsch Matt ( Luke Wilson) verliebt sich in die introvertierte Blondine Jenny Johnson (Uma Thurman), die sich ihm nach den ersten Techtelmechteln nicht nur als experimentierfreudige Superheldin offenbart, sondern auch noch als neurotische Eifersüchtlerin. Dabei ist seit Stan Lee allgemein bekannt, daß es bei Menschen mit gleichen Initialen prinzipiell immer im Geheimen brodelt - was der arme Matt richtig zu spüren bekommt, als er die Superbraut abserviert ...

So wie einst Chris Reeves mit Margot Kidder durch die Wolken schwebte, entführt auch die Thurman ihr Anhängsel in den Himmel. Doch weil wir uns in der freizügigen Neuzeit befinden, wird der gute Matt dort natürlich gleich en passant durchgevögelt. Auch sonst hat Reitman seine Hausaufgaben gemacht und liefert neben vielen Gags und Genre-Verweisen eine absolut liebenswert-naive romantische Komödie, die ebensogut ein Kind der Neunziger sein könnte. Shazam!

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Über den Dächern von Nizza - Special Collector´s Edition


(USA 1955/Region 2/Paramount)

 

Absolut harmonisch präsentiert sich hingegen der Hitchcock-Klassiker "To Catch A Thief": Nach den üblichen Reibereien rund um den eigentlich im Ruhestand befindlichen Meisterdieb John Robi und die bezaubernde Frances Stevens, eine Tochter aus reichem und juwelenschweren Hause, ist am Ende alles gut und verliebt. Charismatische Filmstars wie der verschmitzte Cary Grant und die anbetungswürdige Grace Kelly werden heute einfach nicht mehr hergestellt - leider.

Selbst nach all den Jahren hat der pittoreske Streifen nichts von seinem Charme verloren. Daß aufgrund geänderter Sehgewohnheiten und des laschen Drehbuchs keine Spannung mehr aufkommt, fällt da für den Liebhaber nicht ins Gewicht. Zumal die "Special Edition" mit einigen Extras aufzuwarten weiß, wie etwa einem höchst informativen Audiokommentar von Peter Bogdanovich und Laurent Bouzerau.

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Punk Attitude


(GB/USA 2005/Region 2/polyband)

 

Gefärbte Haare und aufgestellte Irokesen haben genausowenig mit echtem Punk zu tun wie das, was uns heutzutage auf der Mariahilfer Straße die schmutzigen Finger entgegenstreckt - wie man spätestens nach Ansicht von Don Letts´ gelungener Aufarbeitung des Genres weiß. Der Regisseur geht zurück zu den Wurzeln der Bewegung, erwähnt "God Save The Queen" erst nach einer halben Stunde und präsentiert neben zahlreichen Interviews mit den Pionieren auch Live-Auftritte und Reaktionen: von Henry Rollins, den Slits und den Ramones über MC5, die New York Dolls und Mary Lambert bis hin zu den Bad Brains, The Buzzcocks und Suicide. Nebenbei wird auf der zweiten DVD der Unterschied zwischen der britischen und amerikanischen Bewegung diskutiert, die Rolle der Frau im Punk abgehandelt und auch über die Veränderungen von seinerzeit bis zur Gegenwart gesprochen. Ein absolut sehenswärtes Porträt einer musikalischen Stilrichtung - und als ideale Vorstufe zu "American Hardcore" geeignet. Wer noch tiefer in den Sud eintauchen will, dem empfehlen wir an dieser Stelle den Interview-Band "Please Kill Me!" von Legs McNeil und Gillian McCain, erschienen im Hannibal-Verlag.

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Twin Peaks - Season 2.2 & Fire Walk With Me


(USA 1990 & 1992/Region 2/Paramount)

 

Jetzt sind sie also da - die zweite Hälfte der zweiten Staffel von David Lynchs meisterlicher Mystery-Soap sowie das Alpha und Omega von "Twin Peaks", der Prequel-Kinofilm zur Serie, der allerdings erst danach gedreht wurde: "Fire Walk With Me". Nachdem Lauras Mörder sich in der ersten Hälfte von Staffel 2 geoffenbart hatte, war zwar - im Verhältnis - kurzzeitig der Schwung weg, doch kratzen Lynch Frost & Co. auch diese Kurve und zeigten, wie verdammt gut eine Soap sein kann, wenn sie von echten Könnern und natürlich mit dementsprechender Drehzeit und einem brauchbaren Budget gemacht wird: gezielt eingesetzte Noir-Elemente, jede Menge Mystery und neben den malerischen Klängen Angelo Badalamentis und dem Bösewicht Windom Earle sogar die junge Heather Graham. Auch heute noch eine Tele-Vision.

Trotz typischer Lynchismen kann "Fire Walk With Me" da nicht mithalten; am Film hat der Zahn der Zeit überraschenderweise stärker genagt als an der TV-Vorlage. Sehenswert ist der bisher letzte Ausflug in die Stadt der stillen, aber um so tieferen Wasser natürlich trotzdem. Sollten die sagenumwobenen geschnittenen Szenen tatsächlich irgendwann das Licht der Öffentlichkeit erblicken, so werden sich "Twin Peaks"-Touristen wohl noch ganz andere Sehenswürdigkeiten erschließen.

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Fast Forward


Dark Ride

(USA 2006/Region 2/Sunfilm)

 

Erinnerungen, die erste: Filme, die in Vergnügungsparks angesiedelt sind, rufen automatisch Bilder aus längst vergangenen Zeiten hervor. Da wäre beispielsweise Herk Harveys großartiger "Carnival of Souls", der einem auch heute noch mühelos wohlige Schauer über den Rücken laufen läßt, die Schausteller aus Tod Brownings "Freaks" und Daniel Knaufs "Carnivàle" - oder sogar harmloses Teenie-Vampir-Popcorn wie "Lost Boys" ...

Craig Singers "Dark Ride" hat leider mit keinem der erwähnten Werke etwas am Hut. Stattdessen gibt´s miserablen auf Video gedrehten Schmafu, der außer dumpfen Gorehound-Gemütern niemanden interessieren dürfte. Sparen Sie sich das Geld für den Prater!

 

Blood Waves
(Mexiko 2006/Region 2/Koch)

 

Erinnerungen, die zweite: Wellen, Beach Boys und heiße Bikinimädchen, all das verbindet der Mann von Welt mit Surfer-Stories. Popkultur-Junkies denken natürlich auch noch an Dick Dale, Bruce Browns "The Endless Summer", Kem Nunns "Dogs of Winter", Kathrin Bigelows "Point Break" und - wie könnte es anders sein? - den legendären und furchtbar schlechten "Surf Nazis Must Die!" aus dem Hause Troma.

Ian McCruddens "Trespassers" führt uns zurück an den Strand, wo fünf Freunde nach Freiheit suchen und statt dessen blutlüsterne Kannibalen entdecken. Hat man die ersten (dank dämlich verwackelter Handkamera wirklich schrecklichen) fünf Minuten überstanden, entwickelt sich ein durchaus amüsanter DVD-Nasty daraus.

 

Open Water 2
(USA 2005/Region 2/Ufa)

 

Erinnerungen, die dritte: Wissen Sie noch, als deutsche Verleihfirmen jeden dahergelaufenen Blödsinn als Sequel eines erfolgreichen Streifens ausgaben und sich dadurch mehr Laufkundschaft erwarteten? Selbiges ist bei "Adrift" geschehen, der mit "Open Water" bis auf die Location nichts gemein hat. Hans Horns feuchtes Kammerspiel überrascht hingegen als solider Neunzigminüter, bei dem man sich dank der Leichtsinnigkeit seiner Protagonisten ins Fäustchen lacht, aber keinesfalls mit einem von ihnen tauschen möchte. Überraschenderweise zeichnen für das Nicht-Sequel ein paar sympathische Bayern verantwortlich, was besonders beim deutschen Audiokommentar schmunzeln läßt.

 

Geisha-Boy/ Der Tölpel vom Dienst
(USA 1958 & 1964/Region 2/Paramount)

 

Erinnerungen, die letzte: Jerry Lewis war einer der ganz Großen - ob er sich nun im Alleingang oder an der Seite Dean Martins zum Dodel machte oder gar unter der Regie von Martin Scorsese oder Emil Kusturica andere Facetten seines schauspielerischen Repertoires offenbarte. Daß "Der verrückte Professor" allerdings auch für Drehbuch und Regie des bis heute unveröffentlichten "The Day the Clown Cried" verantwortlich zeichnet, in dem er einen Clown spielt, der jüdische Kinder in die Gaskammern locken soll, wissen hingegen die wenigsten. Glaubt man Augenzeugenberichten im Web, ist das auch gut so, da das niemals fertiggestellte Werk ein geschmackloses und völlig mißlungenes Debakel sein soll.

Als einer der Lewis-Bestleistungen darf man hingegen den angenehm rührseligen "Geisha-Boy" bezeichnen, der aus einer Zeit stammt, in der man mit dem fernen Osten cinematographisch noch nicht so vertraut war, die Japaner gern verniedlichte und von heimischen Schauspielern verkörpern ließ (siehe Marlon Brando in "Das kleine Teehaus"). Lewis gibt im "Geisha-Boy" den halbseidenen Zauberer Gilbert Wooley, der zwecks Truppenunterhaltung gen Japan geschickt wird und sich dort mit einem Waisenkind anfreundet. Was folgt, sind viele filmische Referenzen, jede Menge Klamauk und Walter Scharfs gelungener Score.

Wem das in Sachen strapazierter Lachmuskeln nicht reicht, der erlebt Lewis in "The Disorderly Orderly" als Möchtegern-Arzt Jerome Littlefield. Nehmen Sie sich in acht, Dr. House!

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Serienfieber

Import-Tip: GB


Spaced - Definitive Collector´s Edition

(GB 1999/Region 2/Channel 4)

 

Die Engländer sind wirklich zu beneiden. Erstens durfte man dort vor kurzem schon "Hot Fuzz" im Kino bestaunen, zweitens gibt es Paul Verhoevens großartiges "Black Book" bereits auf Verleih-DVD, und drittens hatten die britischen Herrschaften schon vor Jahren das unglaubliche Vergnügen, Simon Peggs und Edgar Wrights "Spaced" im TV zu sehen. Dank der Veröffentlichung der kompletten Serie in einem DVD-Set darf man endlich den Dauereinsatz von "Shaun of the Dead" im heimischen Player stoppen und einen Blick auf diese komödiantische Meisterleistung werfen, die unter anderem auch die Inspiration zur beliebten Zombie-Komödie lieferte. Mit dabei: sämtliche aus dem Untotenspektakel bekannte Gesicher, unglaublich witzige Ideen und zahlreiche Zitate aus der Popkultur. Anschauen, ohne Widerrede!

 

Extras - Series 2

(GB 2006/Region 2/BBC)

 

Weitaus trockener als "Spaced" gibt sich die zweite Staffel von Ricky Gervais kongenialer Fettnäpfchentreterei rund um den ehemaligen Statisten Andy Millman, der mittlerweile seine künstlerische Integrität für die BBC-Sitcom "When the Whistle Blows" verkauft hat. Natürlich wird ihm dies mehr als einmal unter die Nase gerieben, unter anderem via musikalischem Ständchen von David Bowie. Außerdem mit an Bord: Robert De Niro, Chris Martin, Orlando Bloom, Daniel Radcliffe, Diana Rigg, Chris Martin, Ronnie Corbett und Ian McKellen.

Und wenn Sie schon beim Importieren dieser beiden Serien sind, bestellen Sie am besten auch gleich noch Guillermo del Toros großartigen "Pan´s Labyrinth" mit, der in England ebenfalls bereits seit März auf DVD vorliegt.

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Kommentare_

jen - 21.05.2007 : 18.18
hast gar nicht erzählt dass du schon hot fuzz gesehen hast. &? gut?

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