Video_DVD-Tips 2/2007

Glatzen, Schlangen, Pädophile

Gewiefte PR-Menschen und todbringende Milchkühe versammeln sich diesmal zwecks gefährlichem Online-Flirt vor dem DVD-Player.    27.02.2007

Jürgen Fichtinger

Thank You for Smoking


(USA 2005/Region 2/20th Century Fox)

 

Nicht nur im richtigen Leben wird Jagd auf harmlose Nikotin-Junkies gemacht, auch in dieser scharfzüngigen Satire geht es selbsternannten Marlboro-Männern an den Kragen; allen voran dem Lobbyisten Nick Naylor (Aaron Eckhart). Der arbeitet nicht nur als wortgewandter PR-Guru für den Konzern "Big Tobacco", sondern setzt sich auch für die Rechte der diskriminierten Glimmstengelsüchtigen ein. Zu diesem Zweck reitet Naylor ordentlich auf der entmündigenden Argumentation diverser Beamten und Ökonazis herum und brilliert stets durch sein rhetorisches Talent - ob die Gegenseite nun in Talkshows mit "Cancer Boy" aufwartet oder man wieder einmal verschärfte Warnhinweise auf Zigarettenschachteln in Form von Totenköpfen oder gar medizinischen Abbildungen einführen will.

Naylor liebt seinen Beruf und hat auch kein Problem, wenn es darum geht, seine Ansichten an den eigenen Sohn weiterzugeben oder mit Hollywood-Produzenten in Sachen Product-Placement zu verhandeln, wenn er sich nicht gerade als Mitglied der "Merchants Of Death"-Squad - gemeinsam mit den Pressesprechern der Alkohol- und Schußwaffenindustrie - zum Lunch verabredet. Die Frage ist nur: Kann er seinen Beruf auch noch vertreten, wenn Naylor jun. einmal zur ersten Zigarette greift?

Die Antwort darauf serviert Regisseur/Drehbuchautor Jason Reitman in seinem auf dem Christopher-Buckley-Roman basierenden Streifen mit viel schwarzem Humor und gut plazierten Seitenhieben. Er schafft es sogar, ohne den üblichen Gutmenschenschluß auszukommen. Den gibt es dafür (nebst Regiekommentar und zwei Featurettes) als eine der Deleted Scenes zu sehen. Ach ja - geraucht wird im Film übrigens selten.

Links:

Hard Candy


(USA 2005/Region 2/Senator)

 

Rotkäppchen strikes back: Per Online-Flirt lernen Hayley (Ellen Page) und Jeff (Patrick Wilson) einander kennen, verstehen sich wunderbar und entschließen sich zu einem Treffen. Dummerweise offenbart sich dabei ein kleiner Altersunterschied: Sie ist eine 14jährige Schülerin, er ein gut 20 Jahre älterer Photograph, der sein Geld mit dem Ablichten knospender Lolita-Models verdient. Das gehört sich zwar nicht, hindert die beiden aber nicht an einem Ausflug in Jeffs abseits gelegenes Luxusdomizil, wohin man sich zwecks privatem Stelldichein zurückzieht. Wer jetzt "Pädophilie" schreit, hat nicht unrecht, wird aber trotzdem davon überrascht sein, was ihn bei der Sichtung dieses formidablen Psychokitzlers neben dem einen oder anderen Schockmoment erwartet. Nabokovs Professor Humbert hätte diese Geschichte jedenfalls schwerste Schweißausbrüche beschert; für Nervenschwache ist sie daher wohl nur bedingt geeignet.

Die zwei DVDs umfassende Special Edition bietet neben der hübschen Blechschachtel gleich zwei Audiokommentare (mit Regisseur und den Hauptdarstellern), eine einstündige Dokumentation, Deleted Scenes sowie etwas Kleinkram.

Links:

Snakes on a Plane


(USA 2006/Region 2/Warner)

 

Was erwartet man sich von einem Streifen mit diesem Titel? Genau dasselbe wie Hauptdarsteller Samuel L. Jackson und die umfangreiche Online-Community, die dem Film schon vorab einen gehörigen Fan-Buzz bescherte. Auf diesem Flug werden keine Gefangenen gemacht - stattdessen gibt es jede Menge Schlangenhaut. Dafür, daß sich diese nicht etwa in Form schicker Lederjacken und -stiefletten präsentiert, sorgt der Verbrecher Eddie Kim, der dringend einen Mordzeugen beseitigen muß. Um auf Nummer sicher zu gehen, versteckt er an Bord des Überführungsflugzeugs kurzerhand haufenweise Giftschlangen und versprüht ein paar Pheromone, damit die Viecher richtig in Fahrt kommen. Und so kringeln und schlängeln sich die bissigen Biester die folgenden eineinhalb Stunden durch Cockpit, alle Klassen sowie so manches Kleid und sorgen für die erwartete Massenpanik (mit allem, was dazugehört, inklusive im Ohr eines Niedergetrampelten abgebrochenem Stöckelschuh). Kurzum: sympathische Unterhaltung für Freunde von Creature-Features, ganz ohne Leerlauf. Wir freuen uns schon jetzt auf eine Fortsetzung mit Giftspinnen und Luxusliner.

Wer auf das edlere Cover-Motiv und die depperten Küchenmagnete der ansonst ausstattungsmäßig identischen Tin-Box-Variante verzichten kann, sollte zum günstigeren regulären Release greifen.

Links:

Isolation


(GB/Irland 2005/Region 2/Sunfilm)

 

Ein Horrorfilm rund um genetisch manipulierte Kühe auf einem abgelegenen Bauernhof? Ja, das klingt ziemlich blöd. Ist es aber ganz und gar nicht: Die britisch/irische Koproduktion unter der Ägide von Autor/Regisseur Billy O´Brian stellt sich vielmehr als gepflegte Überraschung inklusive Gänsehautfaktor heraus. Wenn die Protagonisten des Streifens durch gatschig überflutete Stallbereiche stolpern, die Milchlieferanten einen mit großen unschuldigen Augen anstarren und dahinter hundsgemeine Kreaturen auf ihre Möglichkeit lauern, der Menschheit via Infektion den Garaus zu machen, freut sich jeder Horrorfreund. Statt vieler Creature-Effekte (weil: wenig Geld) setzt man lieber auf beklemmende Atmosphäre und schafft es so auch, den Entbindungsvorgang mit einer ordentlichen Portion Spannung zu versehen.

Links:

Fast Forward


Die wilden Siebziger! - Season 2
(USA 1998-2006/Region 2/Sunfilm)

 

Im englischen Original zum Brüllen komisch ist auch die zweite Staffel rund um Familie Forman und ihre Freunde. Wenn es hier um den ewig erinnerten Kinobesuch von "Star Wars" oder dem "Texas Chainsaw Massacre", die erste rückwärts abgespielte Heavy-Metal-Platte, Esoterik, Feminismus oder die ersten Disco-Schritte geht, vergißt man beinahe das wunderbare 70s-Ambiente, in dem die Herrschaften agieren. Leinwandbösewicht Kurtwood Smith als griesgrämiger Vater ist ohnehin immer ein Mordsvergnügen, ebenso der dümmliche Austauschstudent, Marke zukünftiger Latin-Lover. Fernab von "Scrubs" oder "Malcom in the Middle" zeigen Sitcoms wie "That 70s Show", wie verdammt witzig die übliche Menschlerei sein kann, wenn man sie mit dem nötigen Humor in die Zeit von Austin Powers, Mary Tyler Moore oder "Drei Engel für Charlie" versetzt. Apropos: Die Tatsache, daß der damalige Jüngling Ashton Kutcher hier einen Teenager aus einer Zeit gibt, in der seine Angetraute aus dem richtigen Leben - Demi Moore - tatsächlich einer war, ist ebenfalls nicht unkomisch. Groovy!

 

Charmed - Season 8
(USA 2005-2006/Region 2/Paramount)

 

Mit der achten und letzten Staffel fällt nun der Vorhang für die drei Weichzeichner-Grazien aus dem Hause Halliwall, und das oft gesehene Buch der Schatten kommt zurück in die Mottenkiste. Obwohl es das Hexentrio qualitativ nie mit Buffy und Co. aufnehmen konnte, hatte die Serie durchaus ihre Momente, auch fernab der meist leicht bekleideten Schauspielerinnen. Zur Abwechslung spendierte Paramount den Fans zum Finale sogar etwas Bonusmaterial.

 

Monster House
(USA 2006/Region 2/Sony)

 

Wem der letzte Pixar-Ausflug zu platt war, der könnte an diesem von Steven Spielberg und Robert Zemeckis produzierten Familienspaß seine Freude haben: Alles dreht sich um den garstigen Besitzer eines noch viel garstigeren Hauses, das alles frißt, was den Rasen betritt. Nur der kleine DJ scheint davon etwas mitzukriegen und versucht dem finsteren Treiben mit der Hilfe seiner Freude Einhalt zu gebieten. Stimmlich unter anderem mit von der Partie: Kevin James, Steve Buscemi und Maggie Gyllenhaal.

 

Links:

Romper Stomper

Nice-Price-Tip


(Australien 1992/UFA)

 

Sollten Sie Ihre Wege in nächster Zeit zu einer Saturn-Filiale führen, empfehlen wir dringend die Durchforstung der Nice-Price-Abteilung. Dort versteckt sich um lächerliche zehn Euro Geoffrey Wrights No-Nonsense-Skinhead-Drama "Romper Stomper", das Russell Crowe seinerzeit erste Lorbeeren einbrachte - und dem Regisseur Vorwürfe, sich unter anderem nicht genügend von den Glatzen zu distanzieren, ja, diese stellenweise sogar zu glorifizieren.

Vernünftige Menschen fragen an dieser Stelle, was sich besagte Kritiker eigentlich wünschen würden: vielleicht VH1-mäßige Pop-ups mit dem Schriftzug "Böser Lümmel!", wann immer ein Kahlrasierter ins Bild kommt? Oder Blümchen und Bekehrung via moralischem Popoklatsch? Wer hier tatsächlich mit den Protagonisten mitfiebert, sollte sich lieber Gedanken über das eigene Wesen machen ... (Eine Problematik, an der auch Paul Verhoeven mit seinen "Starship Troopers" zu kiefeln hatte.)

Wenn sich in Wrights in Melbourne angesiedeltem Drama die rechte Horde gleich zu Beginn grundlos auf ein völlig harmloses vietnamesisches Teenie-Pärchen stürzt, spricht das ebenso Bände wie die in einem schäbigen Hinterzimmer aufgehängte Hakenkreuzflagge, an deren Stelle auch ein Pin-up aus einem primitiven Kontaktmagazin stehen könnte. Keine Spur vom "Glanz" vergangener Zeiten und zu keiner Sekunde ein Moment, der einen Skin im "American History X"-Stil als aggressiven Helden zeigt, der schwarze Autodiebe Bekanntschaft mit dem Bordstein schließen läßt. Stattdessen soziale Tristesse, allgemeine Orientierungslosigkeit und ein schwer gestörtes Weibsbild. Anstelle harten Kruppstahls gibt´s höchst brüchige Fassaden und noch brüchigere Beziehungsgeflechte.

Nachdem die großartige US-Special-Edition natürlich längst vergriffen ist, freut man sich über den hier enthaltenen Regiekommentar.

Links:

Kommentare_

Video
Blu-ray-/DVD-Tips 4/2014

Blaue Ruinen und heilige Berge

Es knallt, es kracht - und es wird esoterisch. Zücken Sie die Fernbedienungen und lehnen Sie sich für unsere Heimkinoempfehlungen gemütlich im Fernsehsessel zurück.  

Video
Blu-ray-/DVD-Tips 3/2014

Bye, bye, A.I.?

Der große, böse Wolf kommt neuerdings aus Israel, Roy Battys Low-Budget-Nachfolgerin dafür aus Großbritannien. Dazwischen tummeln sich die Anarcho-Trickfilmfiguren Ren und Stimpy, US-Sexualforscher sowie jede Menge Genrekost.  

Video
Blu-ray-/DVD-Tips 2/2014

Schau mir in die Augen, Kleines!

Lernen Sie, wie man am besten durch Drogen reich wird. Sehen Sie zu, wenn Orson Welles mit Charlton Heston Schlitten fährt. Oder reisen Sie mit den Mystic Knights of the Oingo Boingo per Anhalter durch die Heimkino-Galaxis.  

Video
Blu-ray-/DVD-Tips 1/2014

Plasma an!

Arm gegen reich, Profitgier gegen Rückgrat - und natürlich jede Menge Blei: unsere aktuellen Heimkinoempfehlungen sind angerichtet.  

Video
DVD-Tips 12/2013

"Do I feel lucky?"

"Well, do ya, punk?" Eine amerikanische Doku widmet sich dem Verfasser dieser Zeilen. Wem das nicht gefällt, der darf mit Quentin Dupieux Hundefänger spielen oder den Fernsehabend mit Dr. Lecter verbringen. Wohl bekomm´s!  

Video
DVD-Tips 8/2013

Halali im Heimkino

Mel Gibson ist auf der Flucht, Sly Stallone auf der Jagd - während Michael Shannon und Chloë Sevigny den Finger stets am Abzug haben und Kevin Spacey im Weißen Haus nicht nur die Puppen tanzen läßt.