Video_Contact
Im Weltall hört dich keiner beten
SF-Filme sind meist Effekt-Filme, die - speziell bei der Integration von Aliens - zu Action-Festen verkommen. Nicht so die Verfilmung von Carl Sagans Roman, jenes Drama aus dem Jahr 1997, bei dem es weniger um Action als um humanistisch-religiöse Fragen geht.
20.06.2011
Robert Zemeckis’ "Contact", sein erster Film nach dem Oscar für "Forrest Gump" und sein drittletzter Film, ehe er sich als Mocap-Regisseur neu erfinden sollte, wartet mit einem beeindruckenden Intro auf: Einem sprichwörtlich galaktischen Outzoom. Aus dem Erdorbit (inklusive Spice Girls-Gedudel) in Rückwärtsbewegung durch unser Solarsystem, die Milchstraße und einige andere Galaxien innerhalb größerer Sternsysteme, um letztlich in der Pupille der jungen Ellie Arroway (Jena Malone) aufzutauchen.
Auf diese Weise stellt der Film ebenso eindrucksvoll wie geschickt die Größe des Weltalls einer Verortung der Erde darin gegenüber, als Beispiel für das Postulat, daß auch irgendwo dort draußen weiteres intelligente Leben entstanden sein muß.
Als "awful waste of space" bezeichnen die beiden entscheidenden Männer in Ellies Leben (als Erwachsene gespielt von Jodie Foster) später die These vom Menschen als einzig intelligenter Lebensform im Universum.
Die Liebe zu ihrem Vater (David Morse) und dessen Begeisterung für die Sterne erwecken die Faszination der Halbwaise für die Radioastronomie.
So führt sie ihre berufliche Laufbahn nach dem Tode des Vaters ins Arecibo-Observatorium in Puerto Rico, wo sie auf den Regierungswissenschaftler David Drumlin trifft (Tom Skerritt), den blinden Kollegen Kent Clark (William Fichtner) und den Theologen Palmer Joss (Matthew McConaughy).
Nachdem Drumlin das Budget der SETI-Forschungen (Search for extraterrestrial intelligence) von Ellie und Kent einstampft, ist es der milliardenschwere und mysteriöse Industrie-Tycoon Hadden (John Hurt), der den Radioastronomen die VLA-Interferometer-Anlage in New Mexico anmietet.
Hier werden sie vier Jahre später ein Videosignal vom Stern Vega empfangen: Eine Rückkopplung von Hitlers Eröffnungsrede für Olympia 1936, sowie die Bauanleitung für ein Sternenportal. Letzteres sorgt nicht nur wegen der exorbitanten Kosten für erhebliche Nervosität bei Präsident Bill Clintons Regierungsangehörigen, wie dem Nationalen Sicherheitsberater (James Woods) oder der Stabschefin des Weißen Hauses (Angela Bassett).
Bassetts afroamerikanische Stabschefin mutet wie ein geschlechtlicher Ausreißer in einer Besetzungsliste an, die primär männlich strukturiert ist, und in der Ellie umso eindringlicher als Stimme der Räson und designierte Repräsentantin der Menschheit fungiert. Sagans Drehbuch hatte ursprünglich auch eine Präsidentin vorgesehen, ehe man Archivaufnahmen von Clinton wählte.
Die Welt von Zemeckis’ "Contact" ist durchgängig maskulin dominiert: vom Präsidenten über Ellies Vorgesetzten, den Kollegen, den Theologen, den Sponsor, den Sicherheitsberater, über den Terroristen (Jake Busey) bis hin natürlich zu ihrem Vater.
Speziell die Beziehung zu Letzterem dient dem Film als emotionale Basis. Er ist es, der Ellies Begeisterung für die Astronomie weckt, mit seinem Tod ihre Sehnsüchte auf andere Galaxien lenkt, zugleich mit einer Dialogzeile den Weg für ihr Verhältnis mit Palmer bereitet, und am Ende gar als Manifestation der Außerirdischen für den ersten Kontakt dient.
Ist der Vater/Tochter-Einstieg noch ein akzeptables Mittel, das Charakterfundament für die Hauptprotagonistin zu legen, wirkt die spätere Rückblende zu seinem Tod unnötig; nicht zuletzt, weil dadurch jene Annäherung zwischen Glauben und Wissenschaft in den Personen von Ellie und Palmer unterbrochen wird.
Ähnlich verhält es sich mit dem Subplot des Terroranschlages, der - kaum vorbereitet - plötzlich eingeführt wird. Wobei sich nebenbei die Frage stellt, wie so etwas bei all den Sicherheitsmaßnahmen vonstattengehen konnte. Und das alles nur, um eine kurze Spannungskurve zu integrieren, ehe der finale dritte Akt eingeläutet wird.
So kommt es, daß dem Hauptthema des Filmes - dem Diskurs über außerirdische Intelligenz, Wissenschaft und Religion - durch Unterhaltungselemente letztlich ein Bein gestellt wird. Womit "Contact" in gewisser Weise zum companion piece und Gegenstück von "Forrest Gump" gerät (der in erster Linie unterhaltsam war und wenig Inhalt zu bieten hatte).
Immerhin zeigt sich "Contact" als prinzipiell intelligenter Science-Fiction-Film, der am Ende weder Theismus, Deismus noch Atheismus propagiert, sondern all diese Denkmodelle als Möglichkeiten in den Raum stellt und die Zuschauer in dieser Frage sich selbst überläßt.
Hierbei präsentiert Sagan einige interessante Szenen; etwa Ellies Forderung, die Existenz Gottes zu belegen - was Palmer mit dem geforderten Nachweis für die Liebe Ellies zu ihrem Vater kontert ("Prove it") -, oder die Frage, ob ein Botschafter der Erde, so wie 95 Prozent ihrer Einwohner, auch an (einen) Gott zu glauben hat.
Es sind diese Fragen nach Gott und dem Universum, die Zemeckis’ Film so interessant machen. Der schlußendliche Erstkontakt zwischen Veganern (hier: Bewohner der Vega, wohlgemerkt) und Ellie ist eher sekundärer Natur und nur bedingt überzeugend. Auch die Wurmloch-Reise nebst einiger Einbindungen von Galaxien knüpft nicht wirklich an den starken Outzoom zu Beginn an; und das Finale ist weder für die Protagonisten noch für den Zuschauer sonderlich relevant.
So gesehen ist "Contact" eine zwiespältige Angelegenheit, halten einander die starken und schwachen Momente doch die Waage und bleiben gleichermaßen in Erinnerung. Aber eines ist der Film sicher nicht: an awful waste of time.
Florian Lieb
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