Video_Chillerama
Trash-Tohuwabohu
Mit ihrer B-Movie-Hommage "Grindhouse" waren Quentin Tarantino und Robert Rodriguez vor sechs Jahren noch gefloppt. Nun schickt sich der Episodenfilm "Chillerama" an, es besser zu machen. In vier verrückten Kurzfilmen loten echte Experten die Grenzen des guten Geschmacks aus - und liefern damit den vermutlich amüsantesten Film des Jahres ab.
09.04.2013
Es gibt Filme, die sind gut, Filme, die sind schlecht - und dann natürlich auch noch jene Filme, die so schlecht sind, daß man sie schon wieder als gut erachten kann. Kurz und knapp werden sie oft "Trash", also Müll, genannt und gehören in den meisten Fällen in die Sparte der so genannten B-Movies: zweitklassige Filme, mit geringem Budget und oft noch geringerem Anspruch gedreht.
In der Vergangenheit wurden sie meist als Double-Feature gezeigt - zwei Filme zum Preis von einem. Bei ihrem Versuch, die Idee des Grindhouse-Kinos zu reanimieren, waren Quentin Tarantino und Robert Rodriguez 2007 gescheitert, sodaß ihre jeweiligen Beiträge stattdessen einzeln in die Kinos kamen. Für "Chillerama" taten sich nun die vier Regisseure Adam Rifkin, Tim Sullivan, Adam Green und Joe Lynch zusammen, um einen B-Movie-Episodenfilm zu erschaffen.
Das Ergebnis ist durchaus gelungen. In vier separaten Segmenten, drei davon als Film-im-Film inszeniert, widmen sich die Verantwortlichen verschiedenen Horror- und Filmgenres. Mit größtmöglicher Selbstironie nimmt "Chillerama" dabei aber nicht nur andere Filmgenres auf die Schaufel, sondern allen voran sich selbst.
Den Rahmen bildet die letzte Vorführung im Autokino von Cecil Kaufman (Richard Riehle), in der vier B-Movies gezeigt werden. Unter den Besuchern befinden sich auch die Jugendlichen Tobe (Corey Jones) und Mayna (Kailie Thorne), die sich im Laufe des Abends nicht nur "schlechten" Filmen gegenübersehen, sondern auch um ihr Leben kämpfen müssen.
Zuvor kommen sie - und mit ihnen das "Chillerama"-Publikum - jedoch in den Genuß einiger Trash-Werke, deren Anfang ein Monsterfilm namens "Wadzilla" macht. Regisseur Adam Rifkin ("Detroit Rock City") inszeniert sich darin selbst als beinahe sterilen Single, der nach einem Arzneiexperiment ein Riesenspermium hervorbringt, das anschließend außer Kontrolle gerät und New York City heimsucht.
Herausgekommen ist eine hanebüchene Geschichte mit Ekelfaktor, in der sich die altgedienten Mimen Ray Wise und Eric Roberts in Gastrollen die Ehre geben. "Wadzilla" ist ein perfekter Einstieg in das Universum von "Chillerama", da schon dieses Segment die Marschroute des Episodenfilms vorgibt. Ganz an dessen Klasse kann im Anschluß daran "I Was A Teenage Werebear" von Tim Sullivan ("2001 Maniacs") nicht anknüpfen.
So herrlich blöd dessen Titel auch ist - im Kurzfilm reitet der Regisseur weniger auf "Teen Wolf" und Co. herum als auf der Musical-Welle à la "Glee", "Grease" oder "High School Musical". Zugleich kommen auch Verweise auf die "Twilight"-Reihe nicht zu kurz, wenn der homosexuelle James-Dean-Verschnitt Ricky (Sean Paul Lockhart) vom Draufgänger Talon (Anton Troy) durch einen Biß in den Allerwertesten zum Werbären mutiert.
Sullivan übertreibt es in seinem Beitrag mit den Musical-Einlagen, auch wenn "I Was A Teenage Werebear" mit wechselnder Besetzung, gorigen Szenen und schwarzem Humor aufwartet. In diesem Fall wäre weniger wohl mehr gewesen - auch wenn die High-School-Kulisse am Strand ohne Frage ihre Vorzüge hat: Unterricht im Freien einmal anders.
Der Höhepunkt des Films ist jedoch fraglos die Zweiter-Weltkriegs-Persiflage "The Diary of Anne Frankenstein" von Adam Green ("Hatchet 1+2"). In dem stilecht in Schwarzweiß und im 4:3-Format gedrehten Streifen schickt sich Adolf Hitler (Joel David Moore) an, aus jüdischen Leichenteilen das Monster Meshuganah (Kane Hodder) zu erschaffen, das ihm den Endsieg bescheren soll. Stets an seiner Seite: das intrigante Flittchen Eva Braun (Kristina Klebe).
In bester Chaplin-Manier wettert Moore dabei ein Kauderwelsch an deutsch klingenden Worten daher, die erst durch die Untertitelung Sinn ergeben. Bei der Inszenierung bedient sich Green ähnlicher Elemente wie zuvor Sullivan, läßt seine Figuren in einer Schnittfolge die Hautfarbe wechseln oder die Charaktere sich der Tatsache bewußt werden, daß alles in einer Filmkulisse stattfindet.
Selten hat man lustigere Minuten verbracht als hier in Hitlers Frankenstein-Labor, wenn ein sich in Grimassen verlierender Führer seinem privaten Golem das Morden beizubringen versucht. Spätestens jetzt dürfte auch der letzte Zuschauer "Chillerama" in sein Herz geschlossen haben. Auch, weil das Prädikat "so schlecht, daß es schon wieder gut ist" in diesem Fall nicht einmal zum Tragen kommt.
Der Episodenfilm - abgerundet durch Joe Lynchs "Zom-B-Movie", worin die Figuren von Tobe, Mayna und Co. selbst zu "Protagonisten" werden - ist nämlich genau deshalb so gut, weil er sich so gekonnt schlecht gibt. Die Folge daraus ist die womöglich unterhaltsamste Komödie des Jahres 2013 - und somit alles andere als ein B-Movie, sondern ganz großes Kino.
Florian Lieb
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