Video_Borat
This film baaaad ... ... ... not!
Wenn sich ein Reporter aus Kasachstan aufmacht, um der Welt die eigene Lebensart vor Augen zu führen, bleiben die nicht lange trocken. Zum Glück auch die der Zigeunerfrauen nicht, denn ihre Tränen - so behauptet zumindest Borat - braucht er, um sich gegen AIDS zu schützen.
09.03.2007
Wer "Da Ali G Show" kennt, in der sich der britische Komiker Sacha Baron Cohen als Gangsta-Rapper verkleidet und mit seinem ordinären Slang-Gewäsch die Gehörgänge der feinen englischen Gesellschaft ungeniert verschmutzt, dem ist auch der kasachische Reporter Borat ein Begriff.
Borat, ebenfalls von Cohen dargestellt, kommt in der "Ali G Show" immer wieder zum Einsatz. Er zeigt in kleinen Beiträgen sein Talent als Reporter, der wißbegierig versucht, die europäische Lebensart zu verinnerlichen und - im Sinne des Kulturaustausches, versteht sich - die pikierten Briten mit seiner doch recht ungeschliffenen Lebensweise regelmäßig in den Wahnsinn treibt.
So erinnert sich der Liebhaber des Brachialhumors gerne an die Episode der Comedy-Show, in der Borat bei einer Gruppe unwissender Damen zu Gast ist, die dem Ausdruckstanz mit anschließender Meditation frönen. Wen schon die hölzernen Bewegungen des großen, schlaksigen Schnurrbartträgers zum Wiehern bringen, der kann sich vor Lachen natürlich gar nicht mehr halten, als Borat dann, in Sternformation mit den Teilnehmerinnen des Seminars auf dem Boden liegend, ein relativ lauter und übelriechender Furz entfährt. Ständig die Worte "I´m so sorry" wiederholend - mit einem Akzent ausgesprochen, der kasachischer gar nicht sein könnte - ignoriert Borat die Beteuerungen der britischen Ladies, es wäre kein Problem, "Don´t be shy" usw. Andererseits läßt er sich sowas natürlich auch nicht zweimal sagen ...
Dieser Verkörperung der Mißinterpretation verschiedener Völker- und Menscheneigenheiten hat Sasha Baron Cohen nach der leider ziemlich mißglückten Verfilmung der Abenteuer von Ali G ebenfalls einen abendfüllenden Kinofilm gewidmet. Der Plot ist schnell erzählt: Der Journalist Borat Sagdiyev und sein Produzent Azamat Bagatov werden vom kasachischen Informationsministerium nach "US and A" geschickt, um Lektionen für Kasachstan zu lernen. Lediglich die beiden Hauptdarsteller der zwanghaft konstruierten Story wissen Bescheid, was sie als nächstes tun werden. Alle anderen Darsteller, nämlich die Amis selbst, haben scheinbar keine Ahnung, was da vor sich geht - und so sind die Reaktionen der unbedarften Mitmenschen eigentlich durchwegs schockierend, was einen herrlichen Kontrast zum schrägen und unerbittlichen Humor der Figur Borats bietet.
Kaum im Land der Freiheit und unbegrenzten Möglichkeiten angekommen, läßt er einen Schenkelklopfer dem anderen folgen. Borat möchte alle Menschen in der U-Bahn mit Küssen begrüßen und handelt sich dabei gleich einmal fast eine Ohrfeige ein. Borat beginnt im Hotellift seinen Koffer auszuräumen - im Glauben, dies wäre schon das Zimmer. Borat wäscht sich das Gesicht in der Toilette, onaniert vor einer Auslage mit Dessous und rennt verängstigten New Yorkern durch die Straßen nach, um sie ein weiteres Mal per Küßchen zu begrüßen. Und das ist das erst der Anfang: Noch hat Borat mit niemandem gesprochen oder ihn über die Verhältnisse in seinem Heimatland aufgeklärt.
So erzählt er zum Beispiel Pat Haggerty, einem Trainer für Humor, daß es bei ihm zu Hause in Kasachstan lustig wäre, wenn seine Schwester (die, nebenbei erwähnt, eine prominente Nutte ist) dem behinderten Bruder ihre Vagina zeigt und mit den Worten "You´ll never get this!" unaufhörlich hänselt. Die ganze Familie lacht dann, wenn der gestörte Bruder in seinem Käfig ausrastet. Der humorige Haggerty lacht bei diesen Anekdoten vorerst höflich mit und gibt Borat frohlockend "High Five!", um ihm dann todernst zu erklären: "This won´t be funny in America."
Später am Abend verliebt sich Borat in Pamela Anderson, die er in einer "Baywatch"-Folge sieht und beschließt, diese C. J. - so ihr Charaktername in der Serie - in Kalifornien aufzusuchen und zu heiraten: "She had golden hairs, teeth as white as pearls and the arsehole of an seven year old. For the first time in my life I was in love." Und so beginnt eine Odyssee durch die Staaten, mit vielen irrwitzigen Begegnungen und Erlebnissen - vor allem für den Zuseher. Die teils politischen Witzchen, teils brachialen Kalauer gipfeln schließlich im Nackt–Ringkampf zwischen Borat und dem überaus ungustiös bladen Produzenten Azamat, weil dieser per Handarbeit vor einem "Baywatch"-Heftchen die zukünftige Verlobte Borats entehrt. So etwas hat man noch nicht gesehen, und wahrscheinlich hat das vorher auch noch keiner gemacht - zumindest nicht vor laufender Kamera und nicht in diesem Zusammenhang.
Mit stets bewundernswerter Ruhe spielt Cohen seinen Borat in jeder Situation, fällt niemals aus der Rolle und überschreitet jede Grenze. Er hält uns den Spiegel vor und zeigt uns, wie Ignoranz geschrieben wird: in der westlichen Welt zum Teil ganz groß. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum der jüdischstämmige Brite zwar einerseits einen Golden Globe erhielt, aber andererseits von einem rumänischen Dorf, das im Film sein Heimatdorf darstellt, auf 30 Millionen Dollar geklagt wurde, sich die kasachische Regierung furchtbar über ihn aufregt und humorlose Deutsche ihn wegen Verhetzung drankriegen wollen.
Anstatt den armen Komiker so zu verdammen, sollten wir seine Versuche der Völkerverständigung lieber würdigen und endlich anerkennen, daß wir alle irgendwo, tief in uns drinnen, einen Borat haben, der uns zeigt, wie oberflächlich und heuchlerisch wir teilweise sind - und wie witzig das sein kann.
Nikolaus Triantafyllidis
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