Boardwalk Empire
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1. Staffel
Produktion: USA 2010
Videovertrieb: Warner Home Video
DVD Region 2 (5 DVDs)
644 Min., dt. Fassung oder engl. OF
Darsteller: Steve Buscemi, Michael Pitt, Kelly MacDonald, Michael Shannon u. a.
Serienjuwelen-Lieferat HBO fördert einen weiteren Diamanten zutage: Für das Prohibitions-Drama "Boardwalk Empire" bündeln unter anderem Autor/Produzent Terence Winter ("Die Sopranos") und Regiegigant Martin Scorsese ihre Talente.
Dietmar Wohlfart über die erste Staffel des Großprojekts.
09.01.2012
Enoch "Nucky" Thompson (Steve Buscemi), Kämmerer von Atlantic City und intriganter Strippenzieher hinter den Kulissen des Stadtgeschehens, erkennt im Inkrafttreten der Prohibition Anfang der 20er Jahre eine ergiebige Einnahmequelle, die es anzuzapfen gilt. Thompson ist eng vernetzt mit der politischen Elite und kontrolliert indirekt auch den städtischen Sicherheitsapparat.
Früh rüstet sich Nucky für die bevorstehende gesellschaftspolitische Zäsur, läßt seine Verbindungen spielen, setzt Hebel in Bewegung und steigt im großen Stil in den Alkoholschwarzmarkt ein. Dabei muß er allerlei Unwägbarkeiten überwinden; denn rivalisierende Gangs, politische Wendehälse und Unruhestifter in den eigenen Reihen machen ihm das Leben schwer.
Aus dem Sumpf des Verbrechens
Terence Winter, Co-Autor und Produzent zahlreicher "Sopranos"-Folgen, wurde mit der Führung eines wahrhaften Mammutprojekts betraut. Als seinerzeit das "Sopranos"-Finale nahte, legte HBO Winter den "Boardwalk"-Stoff in Buchform vor, mit dem beiläufigen Hinweis, daß bereits ein gewisser Martin Scorsese in das Projekt eingebunden sei. Nelson Johnsons episches Non Fiction-Werk "Boardwalk Empire: The Birth, High Times, and Corruption of Atlantic City", das sich mit der Historie der Stadt - insbesondere deren politischen und mafiösen Konstellationen - befaßt, überbrückt eine Zeitspanne von mehreren Jahrzehnten.
Terence Winter wählte die 20er Jahre, rund um die Ausrufung der Prohibition, das Entstehen des politisch-kriminellen Geflechts und den Aufstieg diverser Gangstergrößen als Ausgangspunkt der Handlung. Winter gab den "Roaring Twenties" den Vorzug, da seiner Ansicht nach zeitlich näher am Hier und Jetzt angesiedelte Dekaden den Fokus zu dicht an das bekannte Mattscheiben-Universum Tony Sopranos rücken würden.
Im Bestreben, nicht in den Sog des selbst miterschaffenen TV-Mythos zu geraten und bereits genretechnisch abgearbeitete zeitliche Perioden zu umgehen, konzentrierte er sich auf jene zwielichtigen Akteure, die das organisierte Verbrechen der Ostküste aus einer chaotisch-korrupten Sumpflandschaft nach dem Ende des Ersten Weltkriegs formten.
Die porträtierten kriminellen Köpfe existierten freilich tatsächlich, wenngleich Nuckys Familienname von Johnson auf Thompson geändert und seine Figur großzügig modifiziert wurde. Davon abgesehen, strebten die Macher nach größtmöglicher Authentizität, in Sachen audiovisueller Gestaltung und inhaltlicher Übereinstimmung mit den realen Geschehnissen.
So ist es denn auch ein Genuß, Nucky, seine Helfer und Gegnerschaft, in den stilvollen Gewändern von anno dazumal, hübsch eingerahmt vor archaischer Kulisse, um das im Entstehen begriffene Schmuggler- und Glücksspielzentrum feilschen zu sehen. Scorsese, der den 18 Millionen Dollar teuren Piloten drehte, gab den gediegenen "Boardwalk"-Stil vor. Die nachfolgenden Regisseure - unter ihnen Tim Van Patten, ein Veteran aus dem "Sopranos"-Stab - führten den eingeschlagenen Weg fort.
Stadt der Ekel
"Boardwalk Empire" liefert einen Blick auf die offen ausgetragenen Konflikte und inneren Räderwerke der rivalisierenden Clans, die mit brutalsten Mitteln ihre jeweilige Position auf dem Schmugglermarkt auszubauen versuchen. Nucky Thompson, Sohn irischer Immigranten, hat alle Hände voll damit zu tun, seine Interessen vor feindlichen Zugriffen - etwa der italienischen Konkurrenz - zu schützen. Ebenso stellt der jüdische Geschäftsmann Arnold Rothstein (Michael Stuhlbarg), ein kaum paktfähiger Soziopath, eine Bedrohung dar.
Johnny Torrio (Greg Antonacci), ein Altmeister aus der Italo-Fraktion, nimmt indes den ehemaligen Zögling Nuckys, Kriegsheimkehrer Jimmy Darmody (Michael Pitt), unter seine Fittiche. Dieser geht wiederum ein Zweckbündnis mit dem aufstrebenden Jungganoven Al Capone (Stephen Graham) ein, dessen Temperament und Gewaltdrang er nur mühevoll zu zähmen vermag.
Nucky findet aber nicht nur Jimmy in den Reihen der Konkurrenz wieder, sondern muß sich auch um schwelende Konfliktherde in seiner eigenen Mannschaft kümmern: So fühlt sich Enochs Bruder Eli (Shea Whigham) - der hiesige Sheriff - für höhere Aufgaben berufen und will aus dem Schatten seines allseits geachteten Bruders hervortreten.
Wer eine integre Lichtgestalt als Gegenspieler der mordenden Unterweltkreaturen erwartet, wird von Michael Shannon als Agent Nelson Van Alden eines Besseren belehrt. Denn dieser religiöse Fundamentalist mit mentaler Schlagseite ist dem auf seelische Wracks abonnierten Shannon geradezu auf den Leib geschnitten, und weder mit einem klassischen "Hard Boiled"-Detektiv noch einem Ordnungshüter im allgemeinen vereinbar.
Sympathiepreise wird ein Großteil der in "Boardwalk Empire" abgebildeten Zeitgenossen nicht gewinnen; weder der zu allem fähige Rothstein, noch die tickende Zeitbombe Capone oder Nuckys eifersüchtiger Bruder Eli. Andererseits stärkt die geballte Ehrlosigkeit dieser illustren Schar von Opportunisten Nuckys Part als ambivalentem Führungscharakter der Serie.
Thompsons Gefühlsleben, seine Zweifel und Sehnsüchte dringen zwar nur latent an die Oberfläche, verfeinern die Figur des gewieften Schicksalslenkers aber mit Nachdenklichkeit und Melancholie und lassen sie aus der Dunkelheit hervortreten.
Im Geiste Tony Sopranos?
Nicht nur die Verschleierung seiner wahren Machenschaften unter dem Deckmantel des ehrbaren Schatzmeisters, öffentlichen Verfechters des Alkoholverbots und Förderers der aufkommenden Frauenbewegung, sowie seine tatsächliche Verstrickung in verbrecherische Akte wie Korruption, Schmuggel und Auftragsmord, rücken Enoch Thompson in die Nähe des nunmehr unsterblichen Tony Soprano. Auch die beruflichen und privaten Mehrfrontenkriege, die Nucky auszufechten hat, erinnern an den italoamerikanischen Bandenchef.
Dieser war als eine Art Feuerwehrmann quasi im Dauereinsatz gewesen, um etliche kleine und größere Krisenherde unter Kontrolle zu bringen, dabei die eigene Stellung abzusichern und überdies den zivilen Schein nach außen zu wahren. Die Bedürfnisse seiner Familie und seiner "Familie", die sich in der Regel gegenseitig ausschließen, unter einen Hut zu bringen, war stets einer der faszinierendste Aspekte des charismatischen Soprano-Häuptlings.
Neben den augenscheinlich divergierenden ethnisch-sozialen Ursprüngen werden spätestens an diesem Punkt auch die unterschiedlichen Persönlichkeitsstrukturen der beiden Gangstergrößen deutlich sichtbar: Denn ein Rückzug in den heiligen Familienverbund bleibt Nucky verwehrt; im Gegensatz zum Familienmenschen Soprano ist der Ire ein schwermütiger Einzelkämpfer.
Waren käufliche Liebschaften für den spielfreudigen Tony stets kompensatorische Mittel zum Zweck, stellen sie für Nucky einen essentiellen Teil seiner beziehungstechnischen Umwelt dar. Und während der Mafioso, der durch sporadische Panikattacken an seine tiefsitzenden Traumata erinnert wurde und sich diesen mit Hilfe einer Psychologin mehr oder weniger nachhaltig stellte, lastet das Joch der erlittenen emotionalen Verletzungen allgegenwärtig und schwer auf den Schultern des kühl analysierenden irischen Alkoholschmugglers.
Steve Buscemi - Leading Man
Steve Buscemi, der New Yorker mit der Brunnenvergiftervisage, genießt längst Kultstatus und wird in erster Linie mit den Werken der Coen-Brüder in Verbindung gebracht. Zu recht, bringt er es doch auf nicht weniger als sechs Einsätze für das Erfolgsduo. Auch verbindet Buscemi eine alte Freundschaft mit dem Independentfilmer Tom DiCillo, dessen erklärter Lieblingsdarsteller er ist und für den er insgesamt viermal vor der Kamera stand.
Kleinkriminelle aller Facetten, die es selten bis zum Abspann schaffen, bevölkern seine Filmographie. Es sind vor allem die Nebenparts - oftmals zwar markant und erinnerungswürdig, aber eben mit begrenzter Leinwandzeit ausgestattet -, denen Buscemi seinen Stempel aufdrückt.
Diese Figuren entstammen fast ausschließlich der Halbwelt - schmierig, undurchschaubar und sich an der gesellschaftlichen Peripherie bewegend, schlängeln sie sich durch die dunkleren Seitengassen des Lebens.
Steve Buscemis Leinwandauftritte sind verschrobene Mini-Events, die gerne ein Eigenleben entwickeln und sich als schrullig-bizzare Episoden im Gedächtnis einnisten: Buscemi, der sich im blutgetränkten Schnee am Häcksler abmüht ("Fargo"); der seinen Dienst als stoischer Portier im geisterhaften Hotel Earle versieht ("Barton Fink"); der dem melancholischen Loner Seymour in "Ghost World" eine traurig-sympathische Aura verleiht.
Doch Buscemi in der Rolle des Leithammels? In "Boardwalk Empire" schultert er mehr Verantwortung als je zuvor in seiner Schauspielerkarriere: Kein Mann an der Front, sondern ein eloquenter Denker und Lenker ist Buscemis Enoch Thompson. Distanziert überblickt der Schmugglerkönig souverän die Lage. Doch einmal herausgefordert, wird der kalte Stratege Nucky zum blitzeschleudernden Rachegott.
"Is this a series that can go on for several seasons?"
Terence Winter: "I was hoping decades. Yes, certainly. The ‘20s itself is just a backdrop."
Langlebiges Empire?
Bislang wurden zwei Staffeln abgedreht, eine dritte im Herbst vertraglich unter Dach und Fach gebracht. Daß selbst Ausnahmeproduktionen durch schwächelnde Quoten das Wasser abgegraben werden kann, beweisen die traurigen Schicksale der exzellenten HBO-Hausmarken "Carnivale" (2003 - 2005) und "Deadwood" (2004 - 2006). Mit der Hypothek des teuersten Piloten der TV-Geschichte und einem regulären Budget von 5 Millionen Dollar pro Episode belastet, sind die ökonomischen Zielvorgaben für Winters "Empire" von Beginn an klar umrissen.
Der bisher erreichte Qualitätslevel ist bemerkenswert hoch, und Vergleiche mit Serienperlen wie "Deadwood" oder den "Sopranos" durchaus angebracht. Sofern es gelingt, eine der abenteuerlichsten Epochen der amerikanischen Geschichte weiterhin spannend und dramaturgisch treffsicher auszuleuchten, ohne dabei völlig am Mainstream vorbeizuproduzieren, ist der Fortbestand dieses facettenreichen Mattscheiben-Imperiums gesichert.
Unsere Stimme haben der gute alte Nucky und seine Spießgesellen jedenfalls. Wir trinken auf ihr Wohl!
Boardwalk Empire
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1. Staffel
Produktion: USA 2010
Videovertrieb: Warner Home Video
DVD Region 2 (5 DVDs)
644 Min., dt. Fassung oder engl. OF
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