Video_Arbitrage
Man on a wire
In einer einzigen Untergangsbewegung entfaltet sich Nicholas Jareckis Thriller-Drama "Arbitrage", in dem Richard Gere als am Abgrund taumelnder Finanzjongleur auf hohem Level schauspielert.
03.06.2013
Seinen 60. Geburtstag begeht Robert Miller (Richard Gere) im Kreise der Familie, als in gesellschaftlicher wie geschäftlicher Hinsicht auf dem Zenit ihrer Macht angekommene Zentralfigur. An diesem Ehrentag schart der Manager seine Lieben um sich, gibt sich galant und gönnerhaft - ein gemachter Strahlemann von Welt, der sein letztes Lebenskapitel mit Stil einläutet. Doch hinter der glanzvollen Fassade tobt eine Schlacht, inmitten derer Miller - eingekesselt zwischen Krisenmanagement und Ehebruch - um seine Familie, sein Vermögen und Vermächtnis kämpft. Ein essentieller Großdeal, der den Verkauf seines Imperiums unter Dach und Fach bringen soll, droht zu scheitern. Miller läuft die Zeit davon, wurden doch Bilanzen im großen Stil manipuliert, um den Anschein eines nach wie vor florierenden Unternehmens zu wahren. Robert Miller war nicht nur Mitwisser, sondern Drahtzieher bei dem groß angelegten Täuschungsmanöver. Nachdem auch die letzten Hinhaltetaktiken und Winkelzüge ausgeschöpft sind, steht die Transaktion nun auf der Kippe - und dem Finanzorakel das Wasser bis zum Hals. Zugleich setzt ihn seine heimliche Geliebte, die verhinderte Künstlerin Julie (Laetitia Casta), unter Druck. Die junge Mätresse beansprucht mehr Zeit und Aufmerksamkeit von ihrem charmanten Gönner, als der entbehren kann. Doch mit einem Schlag erlischt ihr Aufbegehren: Ein Autocrash tötet Julie - der Unfallenker Miller kommt verletzt aber unerkannt davon.
Regisseur und Autor Nicholas Jarecki ist der geschickte Steuermann, der den vormals privat und beruflich erfolgreichen Fondsmanager Richtung Untergang manövriert. Dem sich um Ehe und Karriere tricksenden Finanzhai verleiht er zeitweilig die Züge eines Antihelden. Daß dieses Buhlen um Sympathien für einen ausgewachsenen Krisenprofiteur angenehm differenziert vonstatten geht, ist auch Richard Gere anzurechnen, der seine schauspielerischen Grenzen ausreizt. Als charismatischer Finanzmagnat wirft er nicht nur Gere-typische, längst perfektionierte Gentleman-Attitüden in die Waagschale - auch dem rücksichtslos betriebenen Spiel um Moneten und Existenzen wird entscheidender Raum zugestanden, den der Darstellerveteran wiederum ansprechend auslotet.
Als dem Manager der Boden unter den Füßen weggerissen wird und er neben Finanzprüfern auch den schmierigen Detective Bryer (Tim Roth) zu fürchten hat, der die näheren Umstände von Julies Tod untersucht, wird aus dem Täuscher und Blender ein um sich schlagender Gehetzter, dessen Fluchtbewegungen sich weg von den geschönten Zahlenkolonnen seines maroden Konzerns hin in die unerbittliche Realität eines mitverschuldeten Unfalltods verlagern. Bryer im Nacken, sich gegen den drohenden Totalzusammenbruch seiner Firma stemmend und um den Erhalt seiner Ehe mit Gattin Ellen (Susan Sarandon) und den Respekt seiner Tochter Brooke (Brit Marling) ringend, setzt der in die Enge Getriebene auf den einzigen Joker, der ihm verbleibt: Der junge Jimmy Grant (Nate Parker), dessen Vater einst in Millers Diensten stand, soll einen entlastenden Part in der tragischen Unfallnacht einnehmen.
Wie Jarecki das sich nun zusätzlich anbahnende ethische Dilemma seines Protagonisten auflöst, fällt an Finesse und Überraschungskraft ein wenig ab. Doch die präzise Ausleuchtung der implodierenden Lebenswelt eines - zumindest auf dem Papier - verachtenswerten Mitverursachers und Günstlings der Finanzkrise, inklusive des stark aufspielenden Hauptdarstellers, machen "Arbitrage" zu einer ausgewogenen und spannenden Angelegenheit.
Dietmar Wohlfart
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