Video_2000 Maniacs/2001 Maniacs
The South will rise again ... and again
Vor mehr als 40 Jahren ließ der "Grandmaster of Gore" seine legendären Südstaatler erstmals aufmarschieren. Jetzt gibt´s sowohl Original als auch das charmante Remake auf DVD.
17.08.2006
Wir schreiben das Jahr 1963. George R. Romeros "Night of the Living Dead" liegt noch in weiter Ferne, ebenso wie Tobe Hoopers "Texas Chainsaw Massacre", Wes Cravens "Last House on the Left" oder die italienischen "Blutopern". Horrorfilme sind noch größtenteils harmlos, und das höchste der Blut- und Beuschl-Gefühle ist maximal in Produktionen der Hammer-Studios zu sehen.
Auftritt Herschell Gordon Lewis, Exprofessor für englische Literatur an der Universität von Mississippi. Gemeinsam mit Dave Friedman will er studiounabhängige Nischenfilme schaffen, die mit minimalem Budget und knappester Drehzeit zu verwirklichen sind. Das Ergebnis ist der erste Gore-Streifen der Kinogeschichte: "Blood Feast", der amüsanterweise in Deutschland immer noch verboten ist. In diesem Machwerk spielen für damalige Verhältnisse sinnliche Rundungen und ausgeschlachtete Körperteile die Hauptrollen. (Nobuo Nakagawas "Jigoku" konnte in seiner Höllenvision zwar bereits 1960 einen Eingeweide-Shot vorweisen, aber das gilt nicht; Kollege Russ Meyer wiederum machte ein Jahr zuvor mit seinem "The Immoral Mr. Teas" seine ersten ernsthaft brustlastigen Schritte).
Mit nur neun Tagen Drehzeit und einem Budget von 70.000 Dollar erobert der Film die Drive-ins und sorgt für jede Menge Aufsehen bei Moralaposteln, die sich an den Exploitation-Schockelementen stören. Sowas hat das Publikum in dieser blutroten Form noch nie zu Gesicht bekommen.
Ein Jahr später schreiben Friedman und Lewis mit "Two Thousand Maniacs!" erneut Kinogeschichte der etwas anderen Art.
There´s a story you should know
From a hundred years ago,
And a hundred years we´ve waited now to tell
Now the Yankees come along,
And they´ll listen to this song,
And they´ll quake in fear to hear this rebel yell!
Yeeeee-Hawwwwww - the South´s gonna rise again!
Zur Handlung: Ein paar stadtflüchtige Touristen stoßen auf ihrer Route durch die Südstaaten auf eine Umleitung und landen im verschlafenen Nest Pleasant Valley. Dort werden sie von der gesamten Dorfbevölkerung inklusive Bürgermeister herzlichst empfangen, sind sie doch Ehrengäste bei den traditionellen Feierlichkeiten. Man legt ihnen die Stadt quasi zu Füßen und erwartet nichts weiter, als daß die Herrschaften zum Grillen dableiben. Zum Zeitvertreib gibt es heftiges Geflirte mit den Dorfschönheiten beiderlei Geschlechts und jede Menge feuchtfröhliches Amüsement. Daß die "Eingeborenen" in Wirklichkeit ganz andere Dinge im Sinn haben, liegt auf der Hand - schließlich wissen wir heute (und nicht erst seit Edgar G. Ulmer), daß Umwege stets ins Auge gehen.
"Two Thousand Maniacs!" gilt zu recht als einer der besten Streifen, die der "Wizard of Gore" Herschell Gordon Lewis während seiner Kunstblut-Karriere auf Zelluloid gebannt hat, wurde doch - im Gegensatz zum Erstling - diesmal sogar verhältnismäßig großer Wert auf Plot und Schauspiel gelegt. Auch wenn die Bemühungen des Regisseurs aus heutiger Sicht bestenfalls zum Schmunzeln anregen, hat das liebenswerte B-Movie nichts an Charme eingebüßt und animiert immer noch zum Mitsingen.
Fast-forward in der Kinogeschichte
A negro, and a Chinaman to boot ...
That´s Chinawoman!
40 Jahre später: Das Horrorgenre ist aus seinem viel zu langen Dornröschenschlaf erwacht, der Trend geht von harmlosen Teenie-Slashern, kastrierten PG-13-Movies und jeder Menge qualitativ höchst unterschiedlicher Remakes endlich wieder in Richtung "head on a stick". Da freut es umso mehr, daß sich Gruselkenner und "Detroit Rock City"-Veteran Tim Sullivan ausgerechnet den Lewis-Streifen zwecks Wiederauferstehung ausgesucht hat. Sullivan nimmt die Ingredienzen des Originals, läßt ihnen einen gepflegten Timewarp angedeihen, schüttelt sie kräftig durch und poliert sie auf Hochglanz.
Statt spießiger White-Collar-Städter schickt er diesmal vergnügungssüchtige Twens auf Reisen, die nicht nur in Hautfarbe, sondern auch sexueller Orientierung variieren - und als Empfangskomitee fungieren Robert "Freddy" Englund und Lin Shaye. Die humorige Grundstimmung ist dabei ebenso dem neuen Jahrtausend angepaßt wie die anwesenden Vertreter der Tits´n´Ass-Fraktion.
War der Originalschauplatz damals im Hier und Jetzt angesiedelt, so punkten Sullivan und Co. heute mit einem historischen Dorf (Es lebe der Fremdenverkehr!) inklusive zeitgemäß adaptierter Tötungsarten: Wofür so eine authentische Baumwollpresse alles gut sein kann ...
Natürlich darf auch im Remake Lewis´ Kulthymne nicht fehlen; als Minnesänger liefern Tarantino-Spezi und "Intruder"-Regisseur Scottie Spiegel gemeinsam mit Johnny Legend eine herrliche Cover-Version mit Ohrwurmcharakter, während Tim Sullivan mit seiner an Rob Zombie erinnernden Neuinterpretation eine etwas härtere Gangart anschlägt.
Wenngleich es "2001 Maniacs" wie auch der Vorlage gänzlich an Dramaturgie und Spannung fehlt, dürfen sich Fans knapp eineinhalb Stunden lang am "Zehn kleine Negerlein" -Spiel des Regisseurs/Drehbuchautors erfreuen, in dem weder mit nacktem Fleisch noch mit schwarzhumorigen Abgängen ins Totenreich gegeizt wird und Sullivan auf amüsante Art und Weise mit Klischees spielt. Bleibt zu hoffen, daß die im Audiokommentar angedeuteten Pläne für ein Sequel auch wirklich umgesetzt werden. Wie heißt es so schön in den Zeilen von Gore-Granddaddy Lewis? "The south´s gonna rise again! Yee-Haw."
Zu den DVDs: "2000 Maniacs" bietet neben Outtakes, Trailer und Bildergalerie das Trash-Movie "Mesa Of Lost Women" sowie einen charmanten Audiokommentar von Lewis und Konsorten. Die alten Herren geben Einblick in die Entstehungsgeschichte des Films, ihre Karrieren, den Zustand der Autokino-Filmlandschaft anno dazumal und was sie von aktuellen Produktionen halten. Schön zu hören, daß die Gore-Pioniere noch nichts von ihrer Verspieltheit eingebüßt haben. "2001 Maniacs" wartet hingegen unter anderem gleich mit einem ordentlichen "Making of" auf, dazu gibt´s einen alternativen Anfang mit "American Werewolf"-Regisseur John Landis und gleich zwei Audiokommentare. Kenner sollten sich Zeit für beide nehmen, da sowohl der Sullivan/Englund-Track als auch die Alternative mit Regisseur/Drehbuchautor und Produzent hörenswert sind.
Jürgen Fichtinger
Kommentare_