Musik_The Prodigy - Always Outnumbered, Never Outgunned

Plunderkind allein zu Haus

Wenn die einstigen Speerspitzen ihrer eigenen Bewegung sich an alle möglichen Electro-Trends hängen, verpufft die Wirkung bald.    23.08.2004

Es wurde reagiert. Auf Hohn, Schelte und Ablehnung, die The Prodigy zum Release ihrer Single "Baby´s Got A Temper" im Sommer 2002 in geballter Form und aus vollen publizistischen Rohren entgegenschlugen - mit Fug und Recht, wie hier angemerkt werden muß. Denn dieser Versuch, die in den mittleren bis späten Neunzigern mit Dancefloor-Reißern wie "Poison", "Breathe" und speziell der Pyromanen-Hymne "Firestarter" protoypisch entwickelte Sound-Signatur aus böllernden Big Beats, Punk-Gitarrenriffs und dem psychotischem Parolengebelle des Agitationsgiftzwergs Keith Flints ins neue Jahrtausend zu übertragen, scheiterte in verheerendem Ausmaß. Und mit ihm auch das Konzept des stadionkompatiblen Techno, der selbst in Leder eingeschweißte Rocker für kurze Zeit zu Anhängern "elektronischen Punks" (The-Prodigy-Selbstdefinition) werden ließ.

Es wurde also reagiert, weil es sein mußte. Mastermind Liam Howlett stanzte kurzerhand ein beinahe fertiggestelltes Album, befreite sich von der versammelten Vokalistenfraktion (Keith Flint, Maxim Reality sowie Leeroy Thornhill), hochgestochenen Erwartungshaltungen und Schreibblockade; zumindest in der Theorie der beiliegenden Presseinformation.

"Always Outnumbered, Never Outgunned", das Ergebnis der Howlettschen Kreativpause und damit gleichzeitig das erste reguläre The-Prodigy-Album seit sieben Jahren, spricht da allerdings eine andere Sprache: die der Stagnation. Bis auf die Stimmen (die jetzt illustren und betont unsubtilen Gästen wie Juliette Lewis, Princess Superstar oder Howletts Schwager Liam Gallagher gehören) tauschte Howlett wenig aus, sondern gefiel sich vielmehr im frisch polierten Updaten der bekannten Formel um diverse Zeitgeisterscheinungen. Da wird dann der ersten Single "Girls" - einem harschen Baßgerät - eine recht undezente Injektion Electroclash verabreicht, die sich so anhört, als wären Peaches-Vocal-Spuren von einem verwirrten Midfield General behandelt worden; "Memphis Belle" schielt unverhohlen in Richtung Timbalandscher Synkopenbeats; und "Medusa´s Path" mäandert unfokussiert zwischen in London nie unhippem Ethnoschwulst und Breakfunk.

Nicht daß das alles irgendwie schlecht oder langweilig wäre, ganz im Gegenteil: Die ersten Albendurchläufe erzeugen durchaus noch Respekt für soviel dick aufgemotzte und dabei höchst funktionale Dreistigkeit. Es stellt sich eben nur sehr bald der Hubba-Bubba-Effekt ein, dieses Gefühl eines viel zu schnell eintretenden fahlen und faden Nachgeschmacks nach allzu intensiver Reizüberflutung.

"Outgunned" - wie im Albumtitel angedeutet - ist Howlett wohl tatsächlich immer noch nicht; es wurde aber selten so deutlich wie hier, daß sein Arsenal eines voller Schreckschußpistolen ist.

Christoph Prenner

The Prodigy - Always Outnumbered, Never Outgunned

ØØØ


XL/Beggars/edel (GB 2004)

 

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