Platten_Jerry Gaskill/Interview

Ein König auf Solopfaden

Schön, wenn man ein Mitglied seiner Lieblings-Band interviewen kann. So erging es ECORDER-Redakteur Alexander Huhn mit dem Schlagzeuger von King´s X.
   18.07.2004

Seit ihrem Debüt im Jahre 1988 veröffentlichen King´s X eine gute Platte nach der anderen. Kritiker loben sie, Fans sind beglückt. Trotzdem muß die Rock-Gemeinde immer bis zum nächstem Longplayer zittern, ob sich die Band mangels kommerziellen Erfolgs nicht vielleicht doch auflösen wird.

Doch immerhin glaubt ihr Label an sie. Das geht sogar so weit, daß es die einzelnen King´s-X-Mitglieder Soloplatten veröffentlichen läßt. Nun ist auch Drummer Jerry Gaskill an der Reihe, mit einem eigenen Werk zu debütieren. Und das ist schon ein kurzes Gespräch wert ...

 

 

 

 

ECORDER: Was hat dich dazu bewogen, nach so vielen Jahren einmal ein Soloalbum zu machen?

 

Jerry: Ich wollte das schon ewig tun, kam aber immer in Terminstreß. Die Leute bei unserem Label InsideOut unterstützten mich dann zum Glück hervorragend, und dann nahm ich "Come Somewhere" endlich gemeinsam mit Ty Tabor (Gitarrist bei King´s X) in seinen Alien Beans Studio auf.

 

ECORDER: Was ist der große Unterschied zwischen deinem Solowerk und den Platten von King´s X ?

 

Jerry: Diesmal hab´ ich alles selbst gemacht: Songwriting, Singen, Gitarre und Drums. Gerade Ty steuerte ein paar Soli bei. In der Band muß man natürlich immer wieder Kompromisse machen. Ich hoffe auch sehr, mit meinem Soloprojekt auf Tour gehen zu können und an der Front einmal die Sau rauslassen zu können. Ty ermutigt mich ständig dazu und will unbedingt in meine Live-Band. OK … er ist ja auch nicht allzuschlecht! (lacht)

 

ECORDER: Welches sind deine musikalischen Einflüsse?

 

Jerry: Vor allem ältere Rock-Semester wie zum Beispiel Grand Funk Railroad, die Beatles oder Led Zeppelin, aber auch Zappa und Bob Dylan. In den 60er und 70er Jahren liegen sicher meine größten Einflüsse. Das hat mich wohl am meisten geprägt, es kommt einfach in diesem Stil aus mir raus.

 

ECORDER: Und wie sieht´s mit den Texten aus?

 

Jerry: Darin spreche einfach ich über mich.

 

ECORDER: Was soll eigentlich das Cover mit dem nackten Mädchen in dem asiatischen Zimmer bedeuten?

 

Jerry: Nichts Bestimmtes. Ich dachte einfach, auf ein Cover gehören nackte Mädchen. Das kommt doch immer gut, oder?

 

ECORDER: OK - eine schwierige Frage: Wie alt bist du eigentlich wirklich, und wie geht es deinen Söhnen? Gibt es deren Band Geek auch noch?

 

Jerry: Ich bin jetzt 46, meine Söhne sind 25, 20 und 12. Der älteste wird ein immer besserer Drummer und spielt auf Dougs (Pinnick - Lead-Sänger und Bassist bei King´s X) neuem Soloalbum "Poundhound 3", das auch jetzt im Sommer fertig werden soll.

 

ECORDER: Wo liegen eigentlich deine Schlagzeug-Einflüsse - und wann und warum hast du zu spielen angefangen?

 

Jerry: Meine instrumentalen Einflüsse sind auch Leute wie Ringo Starr, Carmine Appice, aber natürlich auch Grand Funk und Led Zeppelin. Angefangen hab´ ich irgendwann mit vier Jahren. Alles was ich mir damals wünschte, war ein Drumkit. Mein Vater wollte mir eines kaufen, aber als er eines Tages nach Hause kam, meinte er, er hätte keines bekommen. Ich heulte wie ein Schloßhund, und dann schickte er mich zum Auto, um etwas zu holen. Da sah ich dann mein erstes Drumkit. Er hatte mir doch eines geschenkt! Und die traurigen verwandelten sich sofort in Freudentränen.

Trommeln faszinierte mich immer schon. Professionell ging ich das Ganze dann an, nachdem ich zum ersten Mal die Beatles im Fernsehen gesehen hatte. Dann war´s endgültig um mich geschehen. Ich hatte aber noch nie richtigen Unterricht oder so.

 

ECORDER: Welche Pläne hat King´s X für die nächste Zeit?

 

Jerry: Wir arbeiten gerade an einer Live-Doppel-CD und eventuell auch einer DVD. Außerdem ist Ty dahinter, unsere ersten vier Alben zu remastern, remixen und neu aufzulegen. Und touren werden wir natürlich auch wieder fleißig.

 

ECORDER: Eine letzte Frage noch: Wie macht ihr das bei King´s-X-Gigs, wenn ihr den Song "We Were Born to Be Loved" spielt, mit all diesen wahnsinnigen Breaks? Ich sehe euch weder zählen noch deuten, und trotzdem seid ihr immer supertight?

 

Jerry: Es ist Magie! Nein, Spaß beiseite: Ich glaube, wir zählen jeder irgendwie doch für sich selbst, und zum Glück treffen wir´s dann meistens richtig ...

 

ECORDER: Super, danke für das Interview und Grüße an den Rest der Crew! Ich hoffe wir, sehen uns bald wieder.

 

Jerry: Danke - Gruß an alle Fans in Europa!

 

Mittlerweile wurden die Herbst-Tourdaten veröffentlicht. Leider bereisen King´s X ausschließlich die USA. Es wird wohl bis mindestens 2005 dauern, bis man die "Heiligen Drei Könige“ wieder in unseren Gefilden bewundern können wird.

Alexander Hendl

Jerry Gaskill - Come Somewhere

ØØØØ


InsideOut/SPV/edel

(USA/26. 4. 2004)

 

An seinen bisher einzigen Ausflug nach vorne, zum Mikrophon, erinnert der Sound von Gaskills Solostreich "Come Somewhere": Wie damals beim Song "American Cheese" auf dem Album "Ear Candy" sind die Lieder eher soft und langsam, da und dort etwas heavier und grooviger. Einige Stücke könnten verlorene Beatles-Songs mit einer ordentlichen Dylan- und vor allem Ringo-Starr-Schlagseite sein. Manche Songs fressen sich nach zwei bis drei Durchgängen ins Ohr, andere bleiben mittelmäßig und werden durch die persönlichen und sehr guten Texte bedeutend aufgewertet.

Tracks wie "Faulty Start" oder "All the Way Home" sind einfach geniale Beispiele, was man in bester Beatles- und Dylan-Manier mit reinem Songwriting machen kann. "Walk Alone" und "Every Day" haben auch durch und durch das Zeug zum massenkompatiblem Alternative oder sogar "normalen" Indie-Rock-Pop-Hit.

Bedauerlicherweise wird Jerry wohl auch mit seinem Soloalbum dasselbe Schicksal wie seine Band-Kollegen und King´s X an sich erleiden. Hits, die zufällig gerade im Trend liegen und dennoch zeitlos sind, werden wieder einmal mangels entsprechender Promotion untergehen und nur suchfreudigen Musikfreunden ins Ohr fallen. Andererseits hat das ja auch einen gewissen eigenen Reiz. Freunde alter Größen, aber vor allem auch viele Hörer der neuen Schienen (FM4 & Co.) können sicher Gefallen an einem Album finden, das ideal für die ruhigeren und nachdenklicheren Momente im Leben ist.

 

Links:

Kommentare_

Platten
Headbanger´s Corner/Vol. 7

Könige aus der Neuen Welt

Egal, wie groß der kommerzielle Erfolg ist - auf die Fans kommt es an. So schaffen manche Musiker nicht nur mit ihren angehimmelten Bands Gewaltiges, sondern auch solo.  

Platten
Sebastian Bach/Interview

Zwischen Broadway und Metal

Wenn eines der ganz großen Poser-Idole Interviews macht, darf man sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Das dachte sich auch "Posergott" Alexander Hendl.  

Platten
Jerry Gaskill/Interview

Ein König auf Solopfaden

Schön, wenn man ein Mitglied seiner Lieblings-Band interviewen kann. So erging es ECORDER-Redakteur Alexander Huhn mit dem Schlagzeuger von King´s X.