Stories_Unterwegs nach Cold Mountain
Der lange Weg in Film und Buch
Gleich sieben Oscar-Nominierungen gab es für Anthony Minghellas Leinwandadaption - verdientermaßen, wie jetzt auf DVD nachgeprüft werden kann.
26.07.2004
In "Unterwegs nach Cold Mountain" wird die Geschichte des einfachen Arbeiters und Soldaten Inman (Jude Law) erzählt. Der desertiert während des amerikanischen Bürgerkriegs, in dem er Dinge tut und sieht, die ihn eigentlich um Herz und Verstand bringen müßten. Er macht sich nach einer schweren Verletzung auf den Weg nach Hause, nach Cold Mountain in North Carolina. Dort ist Inman vor dem Krieg für einen kurzen Augenblick der Liebe seines Lebens begegnet, der zwar gebildeten, aber in allen praktischen Dingen völlig hilflosen Pfarrerstochter Ada (Nicole Kidman). Die wiederum kämpft inzwischen, nachdem ihr Vater gestorben ist und der Krieg ihr Vermögen ruiniert hat, zusammen mit dem einfachen, aber praktisch veranlagenden Bauernmädchen Ruby (Renée Zellweger), auf ihrer Farm ums nackte Überleben.
Wie zwei sich anziehende Pole laufen die Schicksale von Ada und Inman aufeinander zu. Und wie ein unsichtbarer Faden halten lediglich zwei Photographien und ein Buch die Verbindung zwischen beiden aufrecht. Der Krieg wird von allen Beteiligten seinen bitteren Tribut fordern und offenbart am Ende des Films, auf welchen Wahnsinn sich jeder bewaffnete Konflikt von neuem stützt - den Optimismus und Glauben der Jugend.
Der von keinem Geringeren als Sydney Pollack produzierte Film des Regisseurs Anthony Minghella, unter anderem bekannt durch den Oscar-Abräumer "Der englische Patient", besticht nicht nur durch seine Detailtreue und die glänzenden Schauspieler(innen).
"Unterwegs nach Cold Mountain" ist zuallererst die Geschichte von Menschen, die, jeder auf seine Art, unterwegs sind zu sich selbst, zu ihrer eigenen Identität. Daß dies, noch dazu eingebettet in den amerikanischen Bürgerkrieg, für alle kein einfacher und oft schmerzhafter Weg ist, wissen wir alle. Trotzdem gelingt es dem Film mit sehr viel Einfühlungsvermögen, diese ewige Geschichte der Menschheit neu und packend zu erzählen.
Leider haben es von der umfangreich ausgestatteten US-Doppel-DVD-Version gerade einmal die entfernten Szenen auf den hiesigen Release geschafft.
Am Anfang war das Wort ...
Wer sich nicht mit der DVD begnügen mag, dem sei die 620 Seiten starke Romanvorlage von Charles Frazier empfohlen. Der hochgelobte Debütroman des amerikanischen Autors wurde mit Preisen überschüttet und ist bis heute sein einziges Buch. Frazier erzählt die Geschichte dieses großen Scheiterns allerdings ganz anders. Wo im Film große Bilder und Farben dominieren müssen, ist seine Kunst die des stillen Erzählens. Er nützt den Raum, den der Film mit massiver Eindringlichkeit besetzen muß, bleibt oft spärlich und überläßt es uns, zwischen den Zeilen die Bilder wachsen zu lassen. Buch und Film folgen keiner linearen Erzählrichtung, springen zwischen Ada, Inman und Erinnerungen in den Erinnerungen hin und her. Um so erstaunlicher ist es, wie geradezu kongenial und trotzdem neu das Film-Team den oft spröden Buchstoff umgesetzt hat. Kompliment an die Autoren, Schauspieler, Produzenten und den Regisseur! Der ehemalige Literaturprofessor Charles Frazier lebt heute übrigens, wen wundert’s, in North Carolina und betreibt eine Pferdezucht.
Stefan Becht
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