Velvet Revolver - Contraband
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RCA/BMG (USA 2004)
Wer den Frontman verliert, muß sich auf die Suche nach einem neuen machen - und wird dabei authentisch wie nie zuvor. "Contraband" = fucking Rockstars are back from hell! 28.06.2004
Den letzten Aufruf vor dem Abrutschen in die Unbedeutsamkeit dürften sie quasi gerade noch rechtzeitig gehört haben, die punkig-trashig-hardrockigen Glam-Rock-Helden längst vergangener Jahre. Daß eine Stimme aus dem Jenseits notwendig war, um Slash, Duff und Matt - allesamt Mitglieder der einst als "most dangerous band in the world" titulierten Guns N’Roses - wieder zusammenzubringen, darf als Freundschaftsdienst hoch angerechnet werden.
Die Geschichte geht so:
Randy Castillo, ehemaliges Schlagzeuger-Urviech beim nunmehrigen MTV-Opa Ozzy Osbourne sowie bei den Skandalnudeln von Mötley Crüe (als Ersatz für den allseits beliebt-bekannten Tommy "Silikontittenfilmer" Lee) stirbt 2002 an den Folgen seines Krebsleidens. Bei der darauffolgenden Benefiz- und Tribute-Show jammen Slash, Duff und Matt erstmals seit Jahren wieder miteinander - so wie sie es schon Jahre zuvor beim eindrucksvollen Freddy-Mercury-Tribute anno ´92 im Wembley-Stadion noch mit Axl Rose getan hatten. Der Status quo vor der Jam-Session: Die Haus- und Hof-Band des Gitarristen, Slash’s Snakepit, kam seit dem Debütalbum "It´s 5 O´Clock Somewhere" (1995!) nicht wirklich auf Touren, Bassist Duff McKagan tourt mit seiner Punk-angehauchten Band Loaded unbedeutend herum, und Matt Sorum trommelt sich bei The Cult auch nicht wirklich glücklich.
Doch der Geist von Herrn Castillo wirkt Wunder: Unter der Führung des zylindertragenden Wuschelkopfs Slash artet die Sängersuche zumindest in Amerika in einen Medien-Hype aus. Der Musiksender VH-1 begleitet das "The Project" getaufte Unterfangen auf Schritt und Tritt mit der Kamera - und G N´R-Mastermind Axl Rose nimmt erst gar nicht am Casting teil.
Der Laborversuch im Fernsehen schlägt trotz der Propagandamaschine total fehl. Fündig werden die motivierten Rock´n´Roller erst im naturbelassenen Musikerbiotop. Während Dave Kushner (Ex-Wasted-Youth etc.), ein ehemaliger High-School-Kumpel von Slash, den zweiten Gitarrenpart übernimmt, knüpft Duff Kontakte mit dem exzentrischen und charismatischen Stone-Temple-Pilots-Frontman Scott Weiland, der daraufhin aus seiner Band aussteigt. Erste Umrisse der nächsten Supergroup-Explosion nach Audioslave (Rage Against The Machine feat. Soundgarden) werden sichtbar: Die Herren steuern das Pink-Floyd-Cover "Money" sowie den selbstproduzierten Song "Set Me Free" zu Film-Soundtracks bei und einigen sich nach kurzer Überlegung auf den Namen Velvet Revolver.
Das erste Album der neuen Kapelle, "Contraband", schlägt gleich ein wie eine Atombombe: "Showtime for strangers!" Wenn die Textzeile aus dem Refrain des Songs "Do It for the Kids" noch für die ersten Sekunden des Openers "Sucker Train Blues" stimmt - die Hörerherzen haben Velvet Revolver mit den saitenverspielten Tracks des Albums längst gewonnen. Slash und Dave fuhrwerken, quälen und mißbrauchen ihre Gitarren auf höchstem Niveau und lassen Wüstenrock-Flair entstehen. Sänger Weiland wirkt dem entgegen und bewegt sich mit seiner facettenreichen Stimme, die manchmal zigarettenverraucht klingt und gelegentlich auch vorherigen Whiskey-Genuß erkennen läßt, auf neuen Rock-Wegen.
Klar lassen sich historische Begebenheiten nicht unvergessen machen, doch der Mix aus STP-Vocals-Einlagen und ein paar typischen G N´R-Sounds klingt sehr innovativ und zukunftsorientiert. Während Duff die Tracks mit einem hörbar aggressiven Baß unterlegt, drischt Matt mit seinen Sticks schnell und sauber auf sein mehrteiliges Werkzeug-Set ein und trennt Rhythmenwechsel klar ab. "All that first-class drug shit brings me down", heißt es da auf Track drei, und schuld daran ist die "Big Machine". Die teilweise sozialkritischen Texte stehen unter dem Schutz und der Obhut der "Parental Advisory"-Stampiglie; der darunterfallende Wortschatz ist fast vollzählig auf "Contraband" vertreten.
Neben schweinerockenden Nummern à la Motörhead kehren die harten Jungs zeitweilig auch ihre romantische Ader nach außen. Das balladeske "Fall to Pieces" ist fast Mainstream-radiotauglich, und bei "You Got No Right" entsteht wegen der akustischen Klampfe fast Boygroup-Flair. Der Abschluß-Track "Loving the Alien" schließlich lädt dann zum Candlelight-Dinner in Lack und Leder.
Eingeladen wurden Velvet Revolver bereits in die gemütliche Erdbeermetropole Wiesen. Das ist ein Grund mehr, sich das dreitägige "Two Days A Week"-Festival (24.-26. August) dick und fett im Sommerkalender anzustreichen. Ans Herz gelegt sei es jedem, der schöne Momente in eher kleinem Rahmen genießen möchte, denn lange geht´s so nicht mehr weiter. Bald wird der Geist des puren Rock´n´Roll nämlich garantiert wieder in "big fucking stadiums" versprüht. Aber wir waren zuerst da ...
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