Kolumnen_Der Misanthrop: Hallo, Jugend!

Hallo, Jugend!

Eine Ode ans Früher. Oder: die längst überfällige, extrem krasse Abkanzelung der stylishen jungen Menschen von heute. Ts-ts. Wie kann man nur? Muß das wirklich sein?    19.07.2004

Ist doch typisch: Eine Sechs (für österreichische Leser: einen Fünfer) in Mathe, aber das neueste Handy benutzen können. Was soll man dazu sagen? Außer vielleicht: Ich gehöre nicht mehr dazu. Zu euch. Ich bin nicht einmal sicher, daß ich je zu euch gehört habe, selbst dann, als ich versehentlich in dem Alter war, das ihr jetzt durchleben dürft, müßt oder sollt. Versteht ihr? Ach so, nicht ganz. Ist doch typisch. Deswegen schreibe ich euch auch diesen Brief, o ungeliebte Jugend.

Nicht, daß ich euch nicht zuhören würde. Im Bus oder in der Bahn, leider immer öfter auch im Fernsehen und in meinem (ehemaligen) Lieblingscafé: ihr seid unüberhörbar. Ihr rottet euch zusammen, benutzt Solidaritätsfloskeln und habt voll keine Ahnung, was damit gemeint ist, weißt du? Ihr trinkt Alkopops, tragt noch nicht einmal mehr Lederjacken, hört jede Musik und keine.

Ich habe endgültig genug von euch! Von euch kleinen Mädchen, die zwischen Bettnässerei und Brustwarzen-Piercing gerade einmal drei Monate Zeit gehabt haben, von der Sache mit den Blumen und den Bienen zu erfahren, nur um sie dann gleich selbst zu durchleben - und das naturgemäß falsch. Von euch Hosenscheißerjungs, die College-Jacken in Übergröße tragen und anderen Bubis auf dem Schulhof illegal gebrannte CDs von Tabaluga abkaufen, statt heimlich zu rauchen. Von euch durch eine fast exklusive Hamburger-Diät in die Höhe geschossenen Hirnzwergen, die Eminem für eine Kulturrevolution halten und trotzdem Mami total anscheißen, wenn sie den Pausen-Burger nicht in den Rucksack gesteckt hat.

Was soll nur aus euch werden? Ihr habt sauschlechte Noten in Mathematik und all den anderen uncoolen naturwissenschaftlichen Fächern, die ihr nicht wegdiskutieren könnt, und seid noch dazu nicht einmal imstande, ein Telefon mit Wählscheibe zu bedienen. Gleichzeitig sorgt ihr für Panik in Mobilfunkläden - deren Verkäufer haben die berechtigte Angst, weniger zu wissen als ihr. Ihr kennt jedes Detail aus dem Leben von Casting-Stars und wißt nicht, wer Neil Young ist. (OK, zu letzterem sei euch schweren Herzens gratuliert ...) Ihr leidet an Lese/Rechtschreibschwäche und befindet euch damit derart in der Mehrheit, daß das gar niemandem mehr auffällt - zumindest solange nicht, bis ihr irgendwann einmal euer halbgares Geschwafel in den Medien veröffentlichen dürft. Ihr ruht euch während des Schulunterrichts auf eurem psychologisch nachgewiesenen Aufmerksamkeitsdefizit aus, um danach das öffentliche Leben mit eurem unseligen Hyperaktivitätssyndrom unerträglich zu machen. Ihr seid viele, und das setzt ihr leider sehr geschickt ein.

Ihr macht keinen Platz mehr auf dem Bürgersteig und duzt unaufgefordert, wenn ihr einen zehn Jahre älteren Menschen um eine "Kippe" anschnorrt. Eure Helden leben im Marienhof, und ihr haltet euch für die mündige Jugend der schwersten Zeit ever. Ihr lebt in virtuellen Communities und verabredet euch zu LAN-Parties. Bald werdet ihr nur noch Englisch reden oder das, was ihr dafür haltet. Immerhin habt ihr im Schnitt eine Vier minus in Englisch, das muß man ja ausnützen. Ihr wollt mit 14 Jahren wählen dürfen und mit 16 einen Führerschein. Ihr verlangt 8,4 Prozent des Nettoeinkommens eures Vatis als Taschengeld. Dabei könnt ihr euch noch nicht einmal die Schuhe zubinden - und deswegen habt ihr auch immer diese viel zu weiten Treter an.

Ich sage euch nur eines: Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt.

 

Krasse Shouts gehen raus vom

 

Miesantrohp!

Benny Denes

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