Video_The Driller Killer
Nachts in der Stadt
Abel Ferraras Spielfilmdebüt erscheint nicht nur - erstmals im korrekten Bildformat - in einer limitierten Neuauflage, sondern endlich auch mit seinen frühen Kurzfilmen.
21.07.2004
Um Ferrara ist es still geworden, Glanzleistungen wie " Bad Lieutenant" oder "King of New York" liegen scheinbar ebensolang zurück wie sein Ausflug ins Revenanten-Reich von Schuld und Sühne ("The Addiction") oder gar seine legendäre "Frau mit der .45". Ferraras offizielles Erstlingswerk "The Driller Killer" liegt dafür seit kurzem in einer auf 10.000 Stück limitierten Neuauflage vor, zu der es als Bonus-Disc auch noch "The Early Short Films of Abel Ferrara" gibt, die schändlicherweise bisher nicht das Licht der Öffentlichkeit erblickt hatten.
Aber schön der Reihe nach ...
"Bohren macht frei!" Das stellt auch der Maler Reno Miller (gespielt von Ferrara selbst unter dem Pseudonym Jimmy Laine) fest, der seine Malblockade und mangelnde Zwischenmenschlichkeit durch Ausflüge mit Bohrmaschine und dazugehörigem Akkupack löst. Verarmt, in eine schäbige Behausung eingepfercht, unter der die Rockband The Roosters probt, und noch dazu mit einer Freundin namens Carol (Carolyn Marz) gesegnet, die Zärtlichkeit scheinbar nur bei der gemeinsamen Mitbewohnerin Pamela (Baybi Day) finden kann, versucht Reno Kontakt zu Obdachlosen zu knüpfen und will sie gleichzeitig aus ihrer Misere befreien. Nach und nach schleichen sich alptraumgleiche Visionen in seinen Geist, doch ein von ihm gemalter Büffel scheint ihm die Augen zu öffnen. Fortan schafft er sich ein neues Ausdrucksventil und findet Katharsis, indem er nachts durch die Straßen schleicht und gestrandete Existenzen in die ewigen Jagdgründe und die damit verbundene Glückseligkeit bohrt. Als sein Kunstagent das vermeintliche Meisterwerk als Müll deklariert und Carol sich entschließt, zu ihrem Exmann zurückzukehren, reißen für Reno die letzten Rettungsanker. Seiner "familiären" Strukturen beraubt, gilt es den Weg bis zum Schluß zu beschreiten.
Mit seinem offiziellen Spielfilmdebüt, dem rauhen und ungeschliffenen "Driller Killer" (der hier übrigens im Originalformat 1.85:1 vorliegt), ging Ferrara nicht nur in die Annalen der Seventies-Video-Nasties ein, sondern offenbarte sich bereits damals als bemerkenswerter Filmemacher.
Neben dem Werbespot für den legendären Porto-Pak (ein unverzichtbares Accessoire für den mobilen Bohrmaschinenmörder) beinhaltet die erste DVD einen Audiokommentar von Ferrara, der zwar nicht allzuviel über den Film verrät, aber vielleicht durchaus Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Mannes zuläßt: ein wirrer Kopf.
Das wirkliche Schmankerl dieser Limited Edition stellt allerdings die Bonus-Disc dar, auf der erstmals Einblick in Ferraras Frühwerk gewährt wird. So findet sich darauf einer seiner ersten filmischen Gehversuche wieder, der vierzehnminütige "The Hold Up", in dem es um ein paar Fabriksarbeiter geht, die eine Tankstelle ausrauben wollen. Mit "Could This Be Love" folgt ein weiterer halbstündiger Kurzfilm, mit dem Ferarra nach eigenen Angaben primär die filmische Auflösung von Räumen für sich ausloten wollte. Im erzählerischen Mittelpunkt stehen hierbei soziale Unterschiede. "Nicky´s Film", der - wie bereits "The Hold Up" - extra für den vorliegenden Release von einer VHS (als einzig existenter Quelle) abgetastet wurde, bildet als S/W-Alptraumszenario den Abschluß. Zu jedem der Kurzfilme liegt ein Audiokommentar von Ferrara vor.
Als letzten Programmpunkt gibt es noch den Trailer zu Ferraras Frühwerk, dem Hardcore-Porno "Nine Lives of a Wet Pussy", in dem laut Liner-notes Szenen zu sehen sind, die in der (scheinbar existenten) Videofassung stets gefehlt haben. Interessant.
Fazit: Abel-Ferrara-Fans werden an diesem Release nicht vorbeikommen und sollten sich rechtzeitig ihr Stück vom digitalen Kuchen sichern. Dem Rest bietet sich eine ideale Gelegenheit, das frühe Schaffen Mr. Funerals kennenzulernen.
Jürgen Fichtinger
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