Laibach - WAT
ØØØØØ
Mute Records/EMI (GB 2003)
Das neue Studioalbum der slowenischen Musik-Revolutionäre behandelt einmal mehr allgegenwärtigen Feinde. Nach Kapital und NATO sind nun Globalisierung und Postkapitalismus dran. 31.12.2003
"WAT" ist, technologisch betrachtet, ultrareduziert und kompakt. Das Pendeln zwischen London und Ljubljana hinterließ musikalisch deutliche Spuren. Sehr erfreulich. Gesungen, Verzeihung, beschworen, wird vorwiegend in deutscher Sprache. Zur Erinnerung: In England ist deutsch zu singen vielleicht exotisch, aber im US-amerikanischen Raum leben sehr viele deutschsprachige Fans. Es zahlt sich also aus, aufmerksam zu lauschen: Bei "Tanz mit. Laibach", einer Hommage an "Tanz den Mussolini" von DAF, finden wir:
EINS, ZWEI, DREI, VIER
BRÜDERCHEN, KOMM TANZ MIT MIR
(Originaltext eines alten deutschen Kinderliedes; Anm. des Redakteurs)
WIR TANZEN ADO HINKEL
In Chaplins grandioser Satire "Der große Diktator" ist Hynkel der Name des tyrannischen Größenwahnsinnigen, in dessen Schuhen Klein-Charlie alsbald steckt, ausgelöst durch eine perfide Verwechslung.
Laibach plündern unablässig bewährtes Liedgut, sei es augenzwinkernd wie "Auf der Lüneburger Heide" (von "Let It Be") oder gleich ganze Musicals ("Jesus Christ Superstar").
Das Programming auf "WAT" ist hart, knochentrocken und besitzt eine ganze Menge EBM-Sentiment. Bahnt sich da vielleicht gar ein neuer Trend an? Als Anspieltip eignet sich "Achtung"; hier kommen Laibach gleich konkret zur Sache:
DER LINKE IST NICHT ZUR LINKEN
UND RECHTE IST NIEMALS RECHT
DER KRIEG IST NOCH NICHT FREIHEIT
UND FRIEDEN IST FÜR RUHE SCHLECHT
DIE SPRACHE IST OHNE INHALT
GESETZ NUR EIN PAPIER
DAS WAHRE IST NICHT IMMER WAHRHEIT
ABER WIR SIND WIRKLICH HIER
Hm, klingt fast so, als wären Laibach beim letzten EU-Referendum dabei gewesen, gewissermaßen als Chronologen der europäischen Sezession. Laibach beschreiben unerhört realistisch die Welt, in der wir heute leben: gleichgeschaltete Medien überall, eine ohnmächtige Öffentlichkeit, gebannt vor den TV-Schirmen, die nicht mitkriegt, wie unsere Demokratien zu Oligarchien zurückentwickelt werden, diesmal freilich ohne die moralische Macht des Klerus.
Laibachs Ritter wissen das wohl - und so ziehen sich die Ruinen von Europa, das Gespenst der technokratischen Anonymität (1984: "Big Brother"), der Verlust des realen Humanismus wie ein roter Faden durch das gesamte Schaffen, das sich sehen und vor allem hören lassen kann.
Sloweniens große Söhne werden nimmer müde, für eine Zukunft des Menschen einzutreten, in der kapitalistisch-entartete Massenunterhaltung keinen Platz mehr hat, die alten Ideale wiederentdeckt werden und der "gesunde" Dualismus der vorindustrialisierten Ära wiederhergestellt ist. Es gehört viel Kraft dazu, NEIN zu sagen, den Konsumzwang zu boykottieren, aber wir werden immer mehr. Schwingt das Tanzbein über dem Abgrund. Prosit Neujahr!
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