Kino_Der Teufel trägt Prada

Auf High-Heels in die Hölle

Zickenterror in der Modewelt: In dieser uninspirierten Komödie im Hochglanz-Look überzeugt einzig und allein Meryl Streep als tyrannische Powerfrau.    13.10.2006

Gleich nach der Uni will die idealistische Andy (Anne Hathaway) Karriere als Journalistin machen. Doch - Überraschung! - mit ihren Arbeitsproben aus der provinziellen College-Zeitung landet sie bei keiner der New Yorker Redaktionen. Letzter Rettungsanker: eine freie Stelle als Assistentin beim glamourösen Fashion-Magazin "Runway". Das Landei interessiert sich zwar absolut nicht für Mode - aber irgendwie muß die Miete ja gezahlt werden.

Zum Erstaunen der kompletten Belegschaft stellt die gefürchtete "Runway"-Chefin Miranda Priestly (Meryl Streep) das ahnungslose Trampel tatsächlich ein. Was folgt, wird jeder kennen, der in der Medienbranche schon einmal ins kalte Wasser geworfen wurde: Chaos. Alles muß auf einmal erledigt werden, Hilfestellung gibt es kaum - und wer im Vorzimmer allein das Telefon hütet, darf selbstverständlich nicht einmal zur Toilette.

Aber Andy beißt sich durch, läßt sich von Kopf bis Fuß neu durchstylen und wandelt sich im Laufe der Zeit tatsächlich zur perfekten Assistentin im Designer-Look, die Miranda jeden Wunsch von den Augen abliest. Auf der Strecke bleibt dabei ihre Beziehung zum bodenständigen Nate (Adrian Grenier), da dieser mit dem Workaholic-Modepüppchen an seiner Seite nicht mehr viel anfangen kann. Doch keine Angst: Natürlich stellt Andy zum Schluß geläutert fest, daß sie nicht geschaffen ist für die kalte, intrigante Welt von Miranda & Co.

"Der Teufel trägt Prada" beruht auf dem gleichnamigen Bestseller von Lauren Weisberger, in dem sie ihre eigenen Erfahrungen als Assistentin der "Vogue"-Chefin Anna Wintour verarbeitet. Das hätte an sich schon etwas hergeben können. Aber die dünne Story um den Selbstfindungsprozeß einer naiven Berufsanfängerin plätschert von Anfang bis Ende völlig uninspiriert und vorhersehbar dahin. Der Modezirkus wird in perfekt gestylten Hochglanzbildern präsentiert, die in ihrer Konventionalität dem Film endgültig den Touch einer TV-Soap geben. Entsprechend oberflächlich sind die Charaktere der Hauptfiguren gezeichnet: Die tyrannische Powerfrau mit kaputtem Privatleben steht im Gegensatz zu dem jungen Gutmenschen, der kurz von der bösen (Mode-)Welt in Versuchung geführt wird, dann aber doch wieder zur Besinnung kommt. Darum gruppieren sich weitere wandelnde Klischees, bestehend aus zickigen Vorzimmerdamen, affektierten Designern sowie Andys betont "normalem" Freund.

Der einzige Lichtblick ist Meryl Streep. Sie gibt die Machtfrau mit eiskaltem Blick und betont leiser Stimme, wobei in ihrem versteinerten Gesicht bisweilen doch ganz leise Gefühlsregungen durchscheinen. So erhält ihre Figur als einzige ein gewisses Format. Ansonsten ist der Film so glatt und austauschbar wie ein beliebiges Modeblättchen.

Anne Herskind

Der Teufel trägt Prada

Ø 1/2

(The Devil Wears Prada)


USA 2006

110 Min.

dt. und engl. OF

Regie: David Frankel

Darsteller: Meryl Streep, Anne Hathaway, Emily Blunt u. a.

 

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