Unbekannter Anrufer
Ø
(When A Stranger Calls)
USA 2006
87 Min.
OF und deutsche Fassung
Regie: Simon West
Darsteller: Camilla Belle, Brian Geraghty, Katie Cassidy u. a.
Da hat sich jemand verwählt. Anders ist es nicht zu erklären, daß dieser Langweiler par exellence den Weg in die Kinos gefunden hat. Ideen- und konzeptloser kann ein Horrorfilm kaum sein. 20.06.2006
Wenn es überall knirscht und knattert, Nebel aufzieht, Vorhänge im Wind wehen und schwarze Katzen durchs Bild rennen, sollte es sich möglichst um eine Parodie auf Gruselklassiker wie "Bis das Blut gefriert" handeln. Ernst gemeinter Horror gelingt mit diesen Stilmitteln nur noch absoluten Könnern des Fachs (wie Alejandro Amenábar mit seinem meisterlichen "The Others" zeigte). Simon West ist keines dieser Talente, das merkt man recht schnell. Bereits nach zehn Minuten ist der Schauplatz - die verlassen an einem gespenstischen See gelegene High-tech-Villa eines reichen Arzt-Ehepaars - bezogen, das Opfer vorgestellt und der filmische Niedergang besiegelt.
Natürlich arbeitet die attraktive Studentin Jill (Camilla Belle) als Babysitterin, um ihr Taschengeld etwas aufzubessern. Doch die Behausung ihrer Auftraggeber macht auf sie, neben all dem perfekt arrangierten Luxus, schon zu Beginn einen reichlich seltsamen, mysteriösen Eindruck. Diese erste Eingebung verstärkt sich, als sie immer wieder von einem unbekannten Anrufer belästigt wird. Mehr als ein Röcheln bringt der Typ dabei zunächst nicht raus. Von Panik ergriffen, schildert sie dem Polizisten an der Notrufnummer ihre Erlebnisse. Doch der kann zunächst nicht viel für sie tun. Nur eine Fangschaltung soll ermitteln, wer hinter den Anrufen steckt. Bis dahin ist Jill ganz auf sich allein gestellt.
Das Remake des gleichnamigen Films aus dem Jahre 1979 ("When A Stranger Calls") scheitert kläglich an der zeitgemäßen Umsetzung einer bereits nicht wirklich prickelnden Vorlage. Wenn man sich als Regisseur schon eine solch dutzendfach heruntergeleierte Story aussucht, dann sollte man sich wenigstens im Hinblick auf den Unterhaltungsfaktor mehr einfallen lassen, als das Publikum mit einer Aneinanderreihung scheinbar endloser, öder "Buh!"-Momente zu langweilen. Denn wenn "Unbekannter Anrufer" etwas besitzt, dann ist es der unverwechselbare Charme einer fast komatösen Langeweile, die sich wie Mehltau über das adrette Haus am See legt. Wir haben ausreichend Zeit, Jill dabei zu beobachten, wie sie ein Geräusch wahrnimmt, sich langsam dorthin begibt, kurz erschrickt - um dann wieder einmal festzustellen, daß nur die böse Miezekatze dahintersteckte. So geht das geschlagene 70 Minuten: herumschleichen, Anschwellen der überdreht dramatischen Musik, ein kurzer Schrei, die Entdeckung des Nichts.
Die Unverschämtheit steckt deshalb weniger in der uninspirierten Inszenierung als in der eigentlichen "Handlung". Man wähnt sich eher in einer Sendung von Neun Live ("Der Hot Button sucht!") denn in einem Kinofilm. Es ist ein unablässiges stupides Klingeln, das sich nicht nur für Jill zum Terror entwickelt. Und dabei, das macht der letzte Spot vor Filmbeginn doch klar, sollten nervige Mobiltelefone abgeschaltet oder, noch besser, erst gleich ganz zu Hause gelassen werden. Während die Kamera elegant, aber hoffnungslos auf verlorenem Posten durch die nicht endenwollenden Korridore des noblen Anwesens irrt, quetscht das Drehbuch mittels zickiger Freundinnen und hilfloser mexikanischer Hausangestellter das letzte aus der verfaulten Zitrone der dankbaren Bauernopfer heraus. Daß die schöne Jill höchstens angeritzt, aber nicht zerteilt werden darf, gehört zu den ungeschriebenen Gesetzen des massenkompatiblen Horrors.
Selbst die Aussicht auf einen kurzen knackigen Showdown mit dem Unbekannten will als wirksames Gegengift gegen spontane Ermüdungserscheinungen nicht wirklich helfen. Im besten Fall leidet man nicht alleine und kann stattdessen mit seinen Freunden ganz im klassischen "Mystery Science Theatre"-Stil über diese filmische Einfallslosigkeit herziehen. So etwas todernst unter der Überschrift eines angsteinflößenden Thrillers zu verkaufen, läßt einen wahrhaftig an dem Verstand der Marketingabteilung zweifeln. Regisseur West, das könnte die Erklärung für sein Versagen auf ganzer Linie sein, vergißt anscheinend bei der Ausleuchtung schöner Frauen die Essenz des Filmemachens. Wie schon bei "Tomb Raider" wird auf Narration und dramaturgische Integrität keine Rücksicht genommen.
Logikfehler und Ungereimtheiten multiplizieren sich mit der Auflösung der Identität des Unbekannten zu einer schallenden Ohrfeige für jeden halbwegs engagierten Zuschauer, der noch nicht vor dem Eintreffen des Abspanns ins Reich der Träume entschlummert ist. Ist der asthmakranke Telefonstöhner vielleicht Jills Exfreund? Oder steckt doch der Sohn des Arzt-Ehepaars dahinter? Letztlich schert sich der Film einen Dreck um diese Frage.
"Unbekannter Anrufer" gehört in die unzugänglichsten Ecken jeder schlecht sortierten Dorfvideothek verbannt, optional auch in das B- und C-Movie-Nachtprogramm von RTL 2. Unglücklicherweise hat das Desaster allein in den USA bereits fast 50 Millionen Dollar eingespielt - ein Vielfaches seiner Produktionskosten. Wer bei den keuchenden Anrufen genau hinhört, kann das ungeduldige Zähneknirschen der Produzenten vernehmen, die es nicht mehr erwarten können, endlich eine Fortsetzung auf die Menschheit loszulassen.
Unbekannter Anrufer
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