Stephan Remmler - 1, 2, 3, 4
Sony BMG
(D 2006)
Manfred Prescher findet Stephan Remmlers Erfolgsrezept auch zwei Jahrzehnte nach Trio noch sympathisch: Simpelmelodien und Texte, die (scheinbar) niedere Instinkte ansprechen. 11.04.2006
Man kennt das ja: Langsam quält man sich aus dem Bett - und noch ehe man sich damit beschäftigen kann, mit Schwung und Elan in den Tag einzugreifen, wird man schon überrollt. Unter der Dusche, beim Rasieren, beim Frühstücken, im Auto: Immer hat man dieses eine Lied auf den Lippen, summt es vor sich hin, nervt damit die Umgebung. Dabei weiß man nicht mal, wie es dieses Miststück von Song überhaupt geschafft hat, die Geschmackskontrollen zu überwinden. In dieser Kolumne geht es um solch perfide Lieder.
"Frauen sind Würger, sie machen uns kalt/sie denken nicht logisch, und sie werden schnell alt." Als ich diese Zeilen zum ersten Mal hörte, dachte ich: "Das kann doch unmöglich sein Ernst sein." Noch während sich der Gedanke in mir manifestierte, erinnerte sich meine linke Gehirnhälfte an "Bum Bum", "Anna" oder "Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei" - und ich wußte wieder, daß Stephan Remmler noch nie vor einer Peinlichkeit zurückgeschreckt hat.
In "Frauen sind böse" (das von ihm und Heinz Strunk stammt) greift Remmler sogar zu einem Kalauer, der noch in einer Zeit erdacht wurde, da ein Gebot von Ludwig Erhard ausging, daß die heile Welt vor Ted Herolds bösem Rock´n´Roll geschützt werden müsse: "Da war diese klasse Frau gestern Nacht, die hat 45 Minuten an meine Tür gehämmert. Aber ich habe sie nicht rausgelassen." Der Gag ist tatsächlich so alt; er stammt aus einer längst vergangenen Ära, an die sich wahrscheinlich selbst der bald 60jährige Remmler nur noch vage erinnern kann. The times they are a-changin´: "Ja, ja, Frauen sind böse. Ja, ja - wolln immer mehr. Ja, ja - wollen nach vorne. Ja, ja - nie hinterher."
Zu Platitüden neigte Remmler schon immer, und seine reduzierte Mittelstufenlyrik hatte stets ihren Charme. "Es hat sich ausgeschwebt mit Schweben" - dieser Satz ist gnadenlos simpel und kann gerade deshalb prima über den Fluß der Musikgeschichte hinwegwandern. So einer bleibt auf ewig und drei Tage erhalten. Die Worte stammen aus dem Trio-Hit "Herz ist Trumpf", der Steilvorlage für den aktuellen Song. Denn der klingt nach der etwas opulenteren Spätphase der Großenknetener Rabauken.
Vom anarchistischen Geist Trios ist freilich nichts mehr zu spüren. Der Altmeister ist milde. Milde ironisch. Er weiß natürlich, daß es heute nur noch lächerlich wirken würde, wenn der Schlagzeuger wie einst im Mai während der TV-Sendung zum Playback Wurstbrot ißt oder wenn man Gitarrensaiten auf einen riesigen roten Pimmel spannt und dann "Anna, laß mich rein, laß mich raus" singt. Also wird´s auf absehbare Zeit wohl keine Wiedervereinigung von Trio geben. Irgendwie ist das zwar schade, da ja schon viel Schlechteres wiedervereinigt wurde, aber Remmler hat sowas nicht nötig. Von "Da, da, da" lebt sich´s schließlich immer noch prächtig. Zumal VW in den USA den Song nutzte, um damit den Polo anzupreisen, woraufhin der minimalistisch-diabolische Gassenhauer tatsächlich in die "Billboard"-Charts einstieg. Und Pepsi will damit demnächst den Verkauf der koffeinhaltigen Brause ankurbeln: Trinkt Pepsi Cola, bis das Sprachzentrum zittert: "Das Glas steht da, da, da."
"Frauen sind böse" ist ein echter Remmler-Song. Der Text ist so einfach, daß er gefährlich nahe am Grenzdebilen entlang schrummelt. Wie immer nimmt der Mann die letzte Kurve mit Karacho - und schlittert um Haaresbreite an der Ortseinfahrt von Blödesheim/Rheinland-Pfalz vorbei: "Frauen sind Spinner, sie kaufen viel ein/sie machen sich wichtig und reden uns rein./Egal, ob brav, ob diabolisch, evangelisch, ob katholisch/sie drücken uns nach unten, ganz in echt und auch symbolisch." Ganz in echt und auch symbolisch? Da ist er ja wieder, der Satz von jener Qualität, für die die beiden folgenden, aus dem Zusammenhang des jeweiligen Pop-Umfelds gerissenen Beispiele stehen: "Help me baby is it really so hard to understand/Help me baby is it really the Ende" und "Nur ein Traum, ich saß am Steuer die Hand an der Knüppelschaltung/Nur ein Traum, du neben mir die Hand auf meinem Knie/Nur ein Traum, uh uh uh uh uh wir waren so glücklich."
Während Remmler die Demarkationslinie zum Debilen nicht überschreitet, trägt der Luftwirbel, den die PR-Windmaschine erzeugt, den Song auch zu den wahrhaft Blöden hinüber. Man sollte nicht glauben, wo die Schwachköpfigen überall sitzen. Zumindest tummeln sie sich in den Musikredaktionen der Radiosender, denn dort hat sich die Überzeugung durchgesetzt, daß man Remmlers Song unmöglich zur Prime Time auf Deutsche und Österreicher ("Bei der Blödheit sammer Brüder" - Kurt Sowinetz) loslassen könne, denn der Text sei frauenfeindlich, chauvinistisch oder könne zumindest an die niederen Instinkte von Männern appellieren.
Entschuldigung - dieser Song soll die mühevoll aufrechterhaltene Balance zwischen den Geschlechtern gefährden? Da kann man doch nur gemeinsam mit Remmler lachen. Geplant hat er diese Reaktion keineswegs; so berechnend ist der Meister der hinterfotzigen Miniatur auch wieder nicht. Im Interview mit der "Welt am Sonntag" verrät er: "Wir waren ehrlich überrascht, daß der Humor in dem Lied von etlichen Radiostationen so nicht verstanden worden ist. Aus geschlechtsspezifischen Gründen könne man 'Frauen sind böse' tagsüber nicht spielen, heißt es immer wieder. Die Frauen allerdings, die ich kenne, fühlen sich durch das Lied nicht angegriffen."
Warum sollten sie auch? Erstens ist das Lied harmlos, und zweitens hören normal intelligente Menschen sofort, daß es der Stephan nicht so meint. Ein besonders auf Ironie, Witz und schiefere Bedeutung geeichtes Ohr ist dazu nicht nötig. Oder doch? Vielleicht bekommt die Single, wenn sie demnächst in den Läden steht, einen Warn-Aufkleber aufs Plastik: "Explizite Ironie, die Abgabe an Menschen mit einem IQ unter 20 ist nicht gestattet." Im Moment gibt´s das Lied exklusiv im Internet, bei den Online-Shops von Freenet und AOL, sowie bei Musicload und iTunes.
Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER
Stephan Remmler - 1, 2, 3, 4
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