Viennale 05
Wien, diverse Kinos, 14.-26. Oktober 2005
Der alljährliche Run auf die Tickets hat zwar schon begonnen, aber vielleicht suchen Sie noch nach den echten Highlights und möglichen Geheimtips? Wir helfen bei der Auswahl. 10.10.2005
Abteilung US-Kino
Die diesjährige Viennale beginnt gleich vielversprechend mit Last Days von Gus Van Sant (USA 2005): Wie sind wohl die letzten fünf Lebenstage einer Legende, bis sie sich eine Kugel durch den Kopf jagt? Durchzogen von Drogen, Exzeß, Verwirrtheit, Verzweiflung und Einsamkeit - vermutet Van Sant, der sich dem Ende Kurt Cobains von Nirvana anzunähern versucht. Mit der Phantasiefigur Blake (Michael Pitt) zeichnet er den prototypischen Niedergang des modernen Rockhelden, der für unsere Sünden sterben muß, in seiner gewohnt somnambulen Bildsprache nach. Einmal mehr variiert der Regisseur sein Lieblingsthema: junge, sensible oder begabte Männer, die an sich und einer distanzierten Welt scheitern ("My Own Private Idaho", "Elephant"). Mit Asia Argento gleich noch einmal so sehenswert. (15., 16., 25. 10.)
Erlösung und Drogen sind auch zentrale Themen bei Abel Ferrara. Der umstrittene New Yorker Filmemacher, der mit einem qualitativ sehr unterschiedlichen Werk alle Höhen und Tiefen einer Karriere demonstriert, steht damit seinen Hauptfiguren wohl selbst ziemlich nahe. Aber gerade die ärgsten Sünder und Ganoven ("Bad Lieutenant", "King of New York") gieren am heftigsten nach Sühne und Reinwaschung, darum kreuzen oft schwerst katholische Passionsgeschichten ihre Wege. So auch in Mary, wo eine Maria-Magdalena-Darstellerin (Juliette Binoche) nach Ende der Dreharbeiten zu einem Jesus-Film nicht mehr nach Hause zurück und stattdessen alleine nach Jerusalem pilgern will. Der Regisseur des Films (Matthew Modine) trifft ein Jahr später in einer wichtigen TV-Show über das Leben Jesu auf den krisengeschüttelten Ted Younger (Forest Whitaker) ... Es geht um Glauben - aber wo sich Mel Gibson an die blutige Verdammnis hält, da versteht sich Ferrara eher auf die Läuterung. (16., 17., 18. 10.)
Eine untote Braut bereitet in Tim Burton´s Corpse Bride (USA 2005) nicht nur dem heiratsunwilligen Bräutigam Kopfzerbrechen. Der möchte eigentlich die quicklebendige Victoria ehelichen, doch auch die unglückliche Leichenbraut wartet auf die wahre Liebe. Der jüngste Animationsfilm nach "The Nightmare Before Christmas" demonstriert ausführlich, was Burton am besten kann: eine Mischung aus Grusel, Schauermärchen und schwarzem Humor erschaffen - und hinreißende Figuren, die mit feinem Goth-Chic in Wald und Unterwelt ihr Unwesen treiben. Mit den Stimmen von Burtons Frau Helena Bonham-Carter und seinem Lieblingsschauspieler Johnny Depp. Heiße Empfehlung. (16. 10.)
Good Night, and Good Luck, die zweite Regiearbeit von George Clooney nach seinen unerwartet fulminanten "Confessions of a Dangerous Mind" (2002) nimmt sich eines heißen Eisens an, das auch in Hollywoods Showbiz verheerende Folgen zeitigte: der McCarthy-Ära, die hier einem investigativen Journalisten das Leben schwer macht. (26. 10.)
US-Independent-Kino
Mit einem relativ neuen Stoff wartet die Tragikomödie Transamerica von Duncan Tucker (USA 2005) auf. Bree (Felicity Huffman), eine konservative Transsexuelle, lebt in einem Armenviertel von Los Angeles und spart auf die finale Operation. Da erhält sie eines Tages überraschend einen Anruf, durch den sich der kleinkriminelle Toby als sein/ihr Sohn entpuppt. Die Geschlechterrollen beginnen zu wanken, und das ungleiche Paar bricht gemeinsam zu einer Reise durch die Staaten auf. Mit dem Roadmovie durch Transamerica werden Felicity Huffman große Chancen auf einen Oscar zugestanden. (15., 17., 19. 10.)
Das Debüt Me and You and Everyone We Know von Miranda July (USA 2005) erhielt viel internationales Kritikerlob. Auf eigentümliche Art und Weise suchen hier verschiedene Charaktere nach funktionierenden Beziehungen - ein schweres Unterfangen in unserer modernen, anonymen, kommunikationsgestörten Gesellschaft, so scheint es; zumindest für Christine (Miranda July), eine einsame Künstlerin, ihren Freund Richard, einen alleinerziehenden Vater, und seine beiden Söhne, die sich durchs Leben mühen, dabei einander näher kommen und dann wieder nicht. (15., 19., 25. 10.)
Europa
Auf Restkarten hoffen sollte man bei Manderlay von Lars von Trier (DK/S/GB/F 2004). Angesiedelt im Alabama der 30er Jahre mit seiner explosiven Rassismusstimmung, Sklaverei- und Plantagenpolitik liefert das dänische Regiegenie nach "Dogville" den zweiten Teil seiner kämpferisch-kritischen Amerika-Trilogie ab. In gewohnter Theatermanier läuft ein Staraufgebot (Willem Dafoe, Danny Glover, Lauren Bacall) zur Hochform auf, denn von Triers Streifen versteht sich als "ein ungerechter, zynischer Film, ein Pamphlet gegen den selbstgefälligen amerikanischen Demokratiebegriff". Na dann ... (18., 21., 22. 10.)
Lesen Sie morgen den zweiten Teil unserer thematisch sortierten Viennale-Vorschau.
Viennale 05
Wien, diverse Kinos, 14.-26. Oktober 2005
Die letzten Tage von Grunge-Rock-Idol Cobain bebildert Gus Van Sant als symbolreiches Stoßgebet. Langsam und unglamourös wird das private Sterben stellenweise zur Geduldsprobe.
Der zweite Teil von Lars von Triers Anti-Amerika-Trilogie rechnet mit Rassismus und Sklaverei ab. Ein zwiespältiges Lehrstück eines richtigen Zynikers über falsche Moral und die Folgen.
Der beste neue Scorsese kommt aus Frankreich. Das Porträt des 28jährigen halbkriminellen Tom ist ein echter Glücksfall von Film: hart, intensiv, unberechenbar und gut.
Die Viennale ist zu Ende und hinterläßt zermürbte Filmfreunde. Selten zuvor hat man eine solche Konzentration von belanglosen Filmen über sich ergehen lassen müssen.
Der zweite Teil von Lars von Triers Anti-Amerika-Trilogie rechnet mit Rassismus und Sklaverei ab. Ein zwiespältiges Lehrstück eines richtigen Zynikers über falsche Moral und die Folgen.
Nahrung fürs Auge, Lärm für die Ohren, Balsam fürs Gehirn: Der neue Ayoama kreist um Selbstmord und Science Fiction und taucht uns in ein Meer aus Geräuschen und hypnotischen Bildern.
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