Kino_Batman Begins

Die Maske des Guten

Ein Cape geht den Bösen Gothams an den Kragen. In Christopher Nolans opulent düsterem Prequel zur Superheldensaga entdeckt Christian Bale den Reiz der Maske.    15.06.2005

Wenn sich das Gute hinter allen möglichen Verkleidungen verbergen muß, während das Böse offen und unverhüllt in den Straßen und den Schaltstellen der Macht wütet, kann das nur den Niedergang von Menschlichkeit, Moral und Mut bedeuten – und, richtig, auch von Gotham City, der Stadt mit den beeindruckendsten Wolkenkratzern seit Metropolis. Bevor aber der morbide Verfall losbrach und ehe auch noch ein dunkler Ritter im maßgeschneiderten Fledermauskostüm versucht, irgendwie Recht und Ordnung wiederherzustellen, fängt die Story von "Batman Begins" an und zeichnet mit rabenschwarzer Tinte den langen, schmerzvollen Weg eines zerrissenen Helden wider Willen nach. Daß sich der Plot dabei an Frank Millers legendären Comics "Batman: Year One" orientiert und die düsteren Sets nach Christopher Nolans Bekunden an Ridley Scotts SciFi-Klassiker "Blade Runner", gibt dem Blockbuster entscheidenden Tiefgang und eine düstere Atmosphäre. Das heißt für die von Joel Schumacher enttäuschten Fans des spitzohrigen Gerechtigkeitsfanatikers: nach acht Jahren Pause endlich wieder eine gelungene, sehenswerte Version auf der Leinwand.

Vor Gothams Schiffbruch war es eine blühende Stadt, in der sich die Milliardärsfamilie Wayne als Wohltäter hervortat. Als aber seine Eltern bei einem Opernbesuch vor seinen Augen brutal erschossen werden, bricht für den kleinen, ängstlichen Bruce (Christian Bale) eine Welt zusammen. Die traumatischen Risse lassen sich weder durch die aufopfernde Fürsorge des altermden Butlers Alfred (Michael Caine) noch durch ein Milliardenerbe kitten. Als junger Erwachsener reist der von Schuldgefühlen schwer Gepeinigte durch die schlimmsten Flecken der Erde und unterzieht sich dabei allerlei physischen Bestrafungen, bis er sich in Tibet unter die Fittiche der hochgradig gefährlichen League of Shadows unter dem undurchsichtigen Führer Ra’s Al Ghul (Ken Watanabe) begibt. Sein Lehrmeister ist der ebenso wenig durchschaubare Henri Ducard (Liam Neeson), der ihn nicht nur in den besten Kampftechniken unterweist, sondern auch der viel wertvolleren Kunst, seine innersten, größten Ängste zu überwinden. Weil er den Untergrund-Selbstjustizlern nicht beitreten will, legt Bruce das antik gehaltene Trainingscamp in Schutt und Asche und kehrt in seine Heimatstadt zurück, wo ihn einige unerwartete Veränderungen erwarten: Sein gigantisches Firmenimperium Wayne Enterprises leitet der dubiose Chefmanager Richard Earle (Rutger Hauer), seine pausbäckige Jugendfreundin Rachel Dawes (Katie Holmes) ist die letzte unkorrumpierte Anwältin in der abgewrackten City und Gotham wird vom Kriminellenboss Carmine Falcone (Tom Wilkinson) und dessen abgefeimten Psychiater Dr. Jonathan Crane (Cillian Murphy) kontrolliert. Doch das rüttelt Bruce wach und er findet im Kampf gegen das Verbrechen Verbündete: Alfred, den aufrechten Cop James Gordon (Gary Oldman), den findigen Firmeningenieur Lucius Fox (Morgan Freeman), der ihn mit Hightech-Waffen für die Batman-Robe und einem mächtig aufgetunten Batmobil versorgt, sowie die vom Kindheitstrauma zu Mitstreitern konvertierten Fledermäuse. Der Kampf gegen den Oberschurken Scarecrow gewinnt diabolische Dimensionen, als ein Angstgift die Bewohner mit Horrorvisionen terrorisiert, die zu den besten Szenen des Films gehören. Als auch noch ein paar Schatten der Vergangenheit auftauchen, wird die Lage ernst.

 

Was diese "Entstehungsgeschichte" eines Superhelden auszeichnet, ist, daß sich keine Mutation von Bruce Wayne zu Batman vollzieht, sondern daß unter der Maske eines reichen Playboys ein maskierter Kämpfer für das Gute steckt und dahinter noch so eine Art echter, ungeschminkter Bruce. Daß Christian Bale – für seine enorme Wandlungsfähigkeit ist der 31jährige walisische Schauspieler spätestens seit "American Psycho" und "The Machinist" wohl bekannt – diese drei Rollen mit links und subtiler Ernsthaftigkeit meistert, bewahrt diesen Batman vor der in Comicverfilmungen sonst häufig üblichen blutleeren Schablone. Bale soll bereits einen Vertrag für zwei weitere Epen um den Caped Crusader in der Tasche haben, was auf Prolongation des Erfolgs hoffen läßt. An dem ist auch ein durchwegs entspannt agierender hochkarätiger Cast beteiligt – mit einem kaum wiedererkennbaren Gary Oldman ("Lèon", "Hannibal"), Rutger Hauer ("Blade Runner", "Sin City"), Cillian Murphy ("28 Days Later"), einem großartigen Liam Neeson ("Kinsey", "Gangs of New York") und Michael Caine ("Alfie", "Quills", "Austin Powers 3"); lediglich Morgan Freeman ("Million Dollar Baby", "Se7en") hat man einmal zu oft im Part des abgeklärten, unerschütterlichen Fels in der Brandung des Lebens gesehen. Und verantwortlich ist natürlich auch die stilistisch versierte Handschrift von Ex-Independent-Regisseur Christopher Nolan ("Memento", "Insomnia"), der zwischen den akkurat abgewickelten Materialschlachten für eine dichte Atmosphäre sorgt, und beim Rennen um den Regiesessel vor zwei Jahren immerhin Konkurrenten wie David Fincher, Clint Eastwood und den lange gehandelten Darren Aronofsky ("Requiem for a Dream") überrundete. Daß die Action gegenüber Psychologisierungen und einer nuancierten Charakterzeichnung, vor allem in der ersten Hälfte, zurückstecken muß, macht "Batman Begins" auch für Nichtfans sehenswert. Düster statt poppig steht dem Dark Knight eindeutig besser zu Gesicht, ebenso wie das neue geschmackssichere Outfit.

Klara Musterfrau

Batman Begins

ØØØØ 1/2


USA 2005

140 Min.

dt. und engl. OF

Regie: Christopher Nolan

Darsteller: Christian Bale, Michael Caine, Liam Neeson, Katie Holmes, Gary Oldman, Cillian Murphy, Tom Wilkinson, Ken Watanabe, Morgan Freeman, Rutger Hauer u. a.

 

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