Games_Silent Storm

Hail to the king, baby!

Was viele für unmöglich hielten, ist nun Wirklichkeit geworden. Der Meister wurde ganz still und heimlich erstochen - und ein neuer König erobert im Sturm den Genrethron.    24.11.2003

Wer kennt es nicht, das mittlerweile in die Jahre gekommene, aber trotz allem spielerisch brillante "Jagged Alliance"? Doch wer will schon eine Insel irgendwo im pazifischen Niemandsland befreien, wenn er gleich ganz Europa retten/erobern kann?

Bei "Silent Storm" hat man die Kontrolle über einen kleinen Spezialtrupp, der aus bis zu sechs Männern und Frauen besteht, und kämpft in den zwei Kampagnen entweder auf der Seite des Deutschen Reichs oder der Alliierten. Die Söldner sind aber keineswegs gesichtsloses Kanonenfutter, sondern haben alle einen Background und verschiedene Fertigkeiten. Apropos Fertigkeiten: Diese steigen nach dem Prinzip "learning by doing". Heilt ein Soldat beispielsweise öfters seine Kollegen, so wird sein Medizin-Wert mit der Zeit steigen. Und wer genügend Erfahrung gesammelt hat, kann nach jedem Level-Aufstieg einen Punkt im "Fertigkeitenbaum" vergeben, um seine Leute noch besser zu spezialisieren. Daher sollte man tunlichst darauf erpicht sein, keinen der 3D-Soldaten ins Nirwana zu schicken, zumal selbst der niedrigste Schwierigkeitsgrad eine verdammt harte Nuß ist.

Während im Genre der rundenbasierten Taktikspiele eben selbige großgeschrieben wird, konnte man das bisher vom graphischen Aspekt nicht behaupten. Doch das hat sich mit "Silent Storm" schlagartig geändert: in Echtzeit berechnete Schatten, eine komplette Physik-Engine, völlig dreh- und zoombare 3D-Landschaft. Nach dem Laden des ersten Levels wird man zuerst einmal ein paar Minuten von der phantastischen Optik in ihren Bann gezogen. Weil aber nicht alles Gold ist, was glänzt, hat diese Graphik auch ihren Preis - und der heißt: Heißhunger nach Hardware. Mit ein paar Adjustierungen in den Optionen und dem Abschalten einiger spielerisch unnötiger Details läßt sich das Game aber auch auf normalen Rechnern gut spielen. Die Kampagnen gestalten sich durchaus abwechslungsreich und halten auch die eine oder andere Überraschung parat.

Auch wenn "Jagged Alliance" sicher die interessanteren Charaktere bietet, hat "Silent Storm" in allen anderen Belangen die Nase vorn - angefangen von der berauschenden Optik über die beklemmende Atmosphäre bis hin zum gut gelungenen Fertigkeitensystem. Wer sich selbst einen Taktiker nennt und hier nicht zugreift, dem ist nicht mehr zu helfen.

Aber kann das Game auch Fans, die nicht für dieses Genre schwärmen, für sich gewinnen? Hand aufs Herz: Der Einstieg gestaltet sich doch recht anstrengend, und der Schwierigkeitsgrad verbucht auch nicht gerade das Prädikat "anfängerfreundlich". Daher kann man allen Neulingen nur raten, die Demo aus dem Netz zu saugen und sich selbst ein Bild von dem Spiel zu machen. Doch alle Fans des legendären "JA" können sich schon mal ein paar Paletten Red Bull zulegen, die Nummer des Pizzalieferanten in die Kurzwahl speichern und sich in ihre Wohnungen einsperren. Arbeitgeber wiederum brauchen sich nicht zu wundern, wenn sich bald ein paar Angestellte "krank" (hüstel...) melden.

Christian Krenn