Stories_Der Machtlose II
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Ein von der Macht, wie auch allen guten Geistern verlassener George Lucas verliert endgültig die Kontrolle über seine Schöpfung. Dietmar Wohlfart blickt zurück.
09.05.2005
Unter rein kommerziellen Gesichtspunkten betrachtet, hatte sich "The Phantom Menace" zu dem erwarteten überwältigenden Erfolgsprojekt entwickelt. George Lucas' erste Regiearbeit seit 22 Jahren pulverisierte rasch einen Box-Office-Rekord nach dem anderen und wurde so zu einem der einträglichsten Filme aller Zeiten. Doch im Vergleich zu den astronomischen Profiten, verlief die Qualitätskurve des Streifens praktisch diametral. Lucas ignorierte nämlich konsequent die althergebrachten Erfolgsformeln und Maximen der Filmemacherei - obendrein auch noch Tugenden seiner eigenen, einstmals aufstrebenden Regiegeneration - und fabrizierte eine substanzlose Effektmonstrosität; ein Phantom im wahrsten Sinne des Wortes. Sein Unvermögen, auch nur den Hauch von Spannung oder Dramatik in der ersten Prequelfolge unterzubringen, grenzte gar ans Unheimliche.
Im qualitativ hochwertigen Kinojahr 1999 sorgten schließlich andere Akteure für Furore. In M. Night Shyamalans subtilen Mysterykunstgriff "The Sixth Sense" legte Jungdarsteller Haley Joel Osment eine erstaunliche Darbietung aufs Parkett. Osment war zuvor in einem ausufernden Castingmarathon für die Rolle des Mini-Skywalkers in "Episode I" abgelehnt worden. Dafür winkte dem Knaben quasi als indirekte Belohnung eine Oscarnominierung als bester Nebendarsteller. Als schlechtester Nebendarsteller des Jahres wurde hingegen Lucas' erwählter Anakin-Mime Jake Lloyd von der obskuren "Razzie"-Award-Jury vorgeschlagen. Die begrenzten darstellerischen Kapazitäten des Kindes waren aber nur der vernachläßigbare Teil eines weitaus größeren Problems: George Lucas hatte ganz auf Lloyds Niedlichkeitseffekt gesetzt, es dann aber verabsäumt, ein dringend notwendiges Kontrastprogramm mit dem unschuldigen Bengel zu fahren. Regiekollege Richard Donner ("Das Omen") hatte es einst verstanden, seinen kindlichen "Auserwählten" in ein angemessen dunkles Licht zu tauchen. Doch Lucas verfolgte andere Ziele, verzichtete auf die satanischen Dobermänner und vertraute Anakin lieber der Obhut Jar Jar Binks' an.
Zwei Monate vor dem "Phantom"-Start verabreichten die Gebrüder Wachowski dem brachliegenden Science Fiction-Segment ein wahres Kreativkonzentrat: Im Schatten des, bereits Monate vor der Erstaufführung entfachten "Star Wars"-Jubelsturms, gelang den beiden Querdenkern mit "The Matrix" ein clever konzipierter Überraschungsschlag. Am Ende überflügelte das sinistre Cyberspektakel den farbenprächtigeren Genre-Rivalen in so ziemlich jeder Hinsicht, trumpfte mit intelligenter Story, intensiver Untergangsatmosphäre und denkwürdigem Finale auf. Daneben etablierte "The Matrix" eine durchwegs glaubhafte Erlöserfigur, einen Messias mit Stil und Klasse. Eben jene spirituell angedeutete Tiefenwirkung (freilich mit entschieden optimistischeren Anstrich) hätten sich viele auch im Lucasschen Prequel-Universum gewünscht.
Der Unbelehrbare
Jener seelenlose Effektzombie, der 1999 mit viel Lärm aus den Lucasfilm-Laboren torkelte, sorgte jedenfalls für eine nachhaltige Erschütterung der Macht. Doch der geistige Vater zeigte sich gänzlich uneinsichtig. Er verteidigte sein Werk, verwies auf die phänomenalen Einspielergebnisse und erinnerte daran, daß die verhaßten Filmkritiker den "Krieg der Sterne" ohnehin nie sonderlich geschätzt hatten. Lucas setzte auf absurde Argumentation und unverblümte Geschichtsumschreibung um sein CGI-Ungeheuer zu rechtfertigen. Synchron dazu, liefen die Vorbereitungen für den Nachfolger des gescholtenen Prequel-Erstlings bereits auf Hochtouren.
Wieder mühte sich der steinreiche Kalifornier höchstpersönlich mit dem Drehbuch ab. Die Fortsetzung "Attack Of The Clones" ("Angriff der Klonkrieger"), der Mittelteil der zweiten "Star Wars"-Trilogie, besaß damit im wahrsten Sinne des Wortes die gleiche Handschrift wie Part eins. Das Kernstück des chronologisch vorverlegten Dreiteilers, welches sich um das verhängnisvolle Liebesabenteuer des jungen Jedi-Ritters Anakin Skywalker und den Ausbruch der legendären Klonkriege dreht, verfügte immerhin über das nötige Potential um den angeschlagenen Ruf seines Erfinders (und dessen Schöpfung) zu reparieren. Eine Auswahl fähiger Darsteller (Ewan McGregor, Natalie Portman, Christopher Lee), die erneuten Verpflichtungen von Komponistendenkmal John Williams und dem Designertalent Doug Chiang sowie die geballte Rechenpower der traditionell stark besetzten Technikertruppe aus Lucas' hauseigener Trickabteilung ILM, sollten ihren Teil zum Gelingen von "Episode II" beitragen. Wieder stimmte die Ausgangsbasis zuversichtlich. Erneut bot Lucas einen dreistelligen Millionenetat auf und engagierte vertraute Routiniers und junge Talente. Der Regisseur galt seit jeher als Gewohnheitstier. Er liebte das Brauchtum, erschien wie bereits ein Vierteljahrhundert zuvor in Flanellhemd und verwaschenen Jeans am Drehort und inszenierte dort mit geringsten Kommunikationsaufwand. Aber der mutige Visionär von einst war nun Geschichte. Der mittlerweile 58jährige hatte den Blick fürs Wesentliche längst verloren und konnte dem Anspruch der Serie nicht mehr gerecht werden. Den zweiten Prequel-Akt erschlug er mit effekthaschendem Blendwerk und haarsträubender, da größtenteils unfreiwilliger, Komik. Wie angekündigt, hatte Lucas das Drehbuch abermals eigenhändig verfaßt und somit von Beginn an ohne Fundament gebaut. Er arrangierte das widersinnige Familientreffen der Skywalkers, den fatalen Abstieg des kultigen Jedi-Ausbildners Yoda zum säbelschwingenden Gremlin, ließ den Relevanzverlust des klassischen Lichtschwertduells zu und scheiterte daran, ein ernstzunehmendes Bedrohungsszenario zu kreieren.
Schlußendlich versprühte "Episode II" den gleichen Frankenstein-Flair wie sein berüchtigter Vorgänger und erlitt massiven Schiffbruch (bei weiterhin exorbitanten Einspielergebnissen). Gerade das unvergleichliche Niveau des eigentlichen Herzstücks - der "verbotenen" Liaison zwischen Anakin und seiner Herzdame Padme´ Amidala - erstickte sehr schnell jeden Hoffnungsschimmer im Keim und führte den "Phantom"-Nachfolger geradewegs in die qualitativen Untiefen eines mißratenen B-Movies.
Darth Ridiculous
Hayden Christensen, der den arroganten Nachwuchsjedi Anakin Skywalker verkörpert, avancierte in einer denkwürdigen Szene - Ani gesteht Padme´ seine grenzenlose Zuneigung - zur intergalaktischen Lachnummer. Skywalker, seit seiner ersten Begegnung mit Amidala (Portman) unsterblich in die junge Schönheit verliebt, umwirbt die Auserwählte in höchst befremdlicher Art und Weise: Christensen erscheint mehr wie ein Stalker als ein liebestoller Jüngling. Seine Annäherungsversuche sind plump, wirken eher wie die ersten schwärmerischen Gehversuche eines 12jährigen, als das Werben eines jungen Mannes auf dem Weg nach oben (respektive unten). Zitat Skywalker: "Bei dem Gedanken nicht bei Dir zu sein, kann ich nicht atmen." Nach der romantischen Tragödie, dem unbestrittenen Tiefpunkt von "Clones", rissen unkoordinierte, ausufernde Effektsequenzen "Episode II" erst recht ins Chaos. Es existierte kein bißchen Spannung, kein Drama im antiseptischen Digitaluniversum des George Lucas. Die Schauspieler wirkten größtenteils deplaziert und hilflos. Lucas war wohl wieder einmal zu beschäftigt gewesen sie zu führen und hatte statt dessen lieber sein Technikerheer vorangetrieben.
Eine völlig unrealistische Romanze die nicht einmal im Ansatz funktionierte. Ein Hauptcharakter, der seine latente Grausamkeit nur durch die unmenschliche Natur seiner Liebesschwüre zum Ausdruck bringen konnte. Dazu ein amateurhaft zusammengeschusterter Schlußakt dem es an Ernsthaftigkeit und Logik fehlte - "Angriff der Klonkrieger" demonstrierte Dilettantismus in Reinkultur und schamlos zur Schau gestellte Talentlosigkeit im überdimensionalen Hollywood-Großformat. Immerhin distanzierte sich Lucas von der wahnwitzigen Idee, "Die Macht" pseudowissenschaftlich erklären zu wollen. Ein schwacher Trost.
Dietmar Wohlfart
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