Stories_Nippon Connection

Japanische Kostbarkeiten

Von 13. bis 17. April findet in Frankfurt das Festival Nippon Connection statt, das neben aktuellen japanischen Filmen auch ein vielseitiges Rahmenprogramm bietet.    12.04.2005

Man merkt schon beim ersten Blick auf das diesjährige Programm der Nippon Connection, daß die Festivalleitung bemüht ist, einen möglichst umfangreichen und vielseitigen Blick auf das aktuelle japanische Filmgeschehen zu werfen. Dabei werden nicht nur sämtliche Genres vom Action- bis zum Erotikfilm abgedeckt, sondern auch ein weiter Bogen vom Blockbuster bis zu unabhängigen Videoproduktion gespannt. Dabei trifft man natürlich auch auf alte Bekannte.

 

Takeshi Kitano, der in den letzten Jahren zum japanischen Filmexport Nr. 1 avancierte, spielt in Yoichi Sais Blood and Bones einen koreanischen Auswanderer, der sich in der Hoffnung auf eine glänzende Zukunft ins Osaka der zwanziger Jahre begibt. Seine Erwartungen werden jedoch schnell enttäuscht, als er feststellt, daß Koreaner in Japan minderwertig behandelt werden. Nachdem er im Minderheiten-Ghetto mit Hilfe seiner Familie eine Räucherfischfabrik aufgebaut hat, schafft er sich eine japanische Geliebte an und nutzt den neuen Wohlstand um sein Umfeld zu terrorisieren: Wieder eine richtige Paraderolle für "Beat" Takeshi, der in seinen Filmen mit Vorliebe den gewalttätigen Choleriker gibt.

Neben "Blood and Bones" ist Kitano auch noch in Izo, Takashi Miikes ("Audition") erstem Samuraifilm, zu sehen, der von einer wiedergeborenen menschlichen Killermaschine erzählt. So wie man es von Vielfilmer Miike gewohnt ist, wird es auch in diesem umfangreichen und hochkarätig besetzten Streifen gewohnt derb zur Sache gehen.

Der größte Publikumsmagnet wird aber wohl Steamboy, der lang erwartete neue Anime-Knaller von Akira-Erfinder Katsuhiro Otomo sein. Angesiedelt im viktorianischen England während der Weltausstellung handelt die Geschichte von dem jungen Erfinder Ray, der von seinem Großvater eine mysteriöse Stahlkugel erhält. Dieser sogenannte Steam Ball verleiht seinem Besitzer magische Kräfte und legt Ray die Macht über die Zukunft der Menschheit in die Hände. In seiner Heimat bewährte sich der teuerste japanische Animefilm aller Zeiten bereits als Kassenschlager.

Ein weiterer alter Bekannter, dem allerdings die große Breitenwirkung eines Takeshi Kitano oder Katsuhiro Otomo bis jetzt versagt blieb, ist ebenfalls mit seinem neuen Film vertreten: Shinya Tsukamoto. Nach seinem großartigen Underground-Meilenstein "Tetsuo" konnten die letzten Filme von Tsukamoto, wie etwa "Snake of June", zwar nicht mehr derart überzeugen, Vital läßt aber zumindest was die Story betrifft, durchaus Hoffnungen aufkommen: Der Medizinstudent Hiroshi verliert bei einem Unfall sein Gedächtnis und nimmt trotz seiner anhaltenden Verwirrung weiter am Unterricht teil. Als die Studenten eine Leiche sezieren müssen, bemerkt Hiroshi plötzlich, daß er gerade den Leichnam seiner Freundin aufschneidet ...

 

Weitere Highlights des Festivals dürften der Anti-Bush-Pink-Film The Glamorous Life of Sachiko Hanai sein, die Haruki-Murakami-Verfilmung Tony Takitani mit dem japanischen Komiker Issey Ogata in der Hauptrolle sowie The Last Supper, ein Horrorfilm über einen Schönheitschirurgen, der süchtig nach dem abgesaugten Fett seiner Patienten wird. Auch der neue Film von "Go"-Regisseur Isao Yukisada, die Tragikomödie Crying out Love, in the Center of the World wird als Europapremiere zu sehen sein. Es geht darin um zwei Teenager, denen der gemeinsame Kontakt von ihren Eltern verboten wurde und sie daraufhin gezwungen sind, miteinander über aufgenommene Kassetten zu kommunizieren.

Besonders interessant dürften natürlich auch diejenigen Filme sein, die man außerhalb des Festivalrahmens nur schwer zu sehen bekommt. In der Reihe Nippon Digital sind diverse Kurzfilmprogramme, Animationsfilme oder auch experimentellere Arbeiten zu sehen, die hauptsächlich mit kleinen Budgets und auf Video gedreht wurden. Auf jeden Fall lohnen dürfte sich die Dokumentation Pink Ribbon, die die Geschichte des Pinkfilms nachzeichnet und dabei noch eine aktuelle Bestandsaufnahme des Genres liefert. Ein interessantes Konzept steckt hinter der Reihe Eiga-Bancho, die durch die Filme Yuda, Girls for Independence und Love Kill Kill repräsentiert wird. Die Filme wurden nach Regeln gedreht, die dem Dogma-Manifest nicht unähnlich sind: Sowohl etablierte Regisseure, wie auch aufstrebende junge Filmemacher drehen jeweils mit derselben DV-Kamera, haben das gleiche Budget zur Verfügung und müssen den Film in erster Linie unterhaltsam gestalten. Jede Ausführung muß dabei unter einer der drei Kategorien Erotik, Comedy oder Horror laufen.

 

Die diesjährige Retrospektive ist Seijun Suzuki, dem König des japanischen Pop-Kinos, gewidmet, dessen umfangreiches Oeuvre in Frankfurt durch zehn Werke repräsentiert wird. Obwohl sich Suzuki aufgrund seiner Vielseitigkeit nie auf ein bestimmtes Genre festlegen ließ, sind es doch hauptsächlich die ästhetisch sehr eigenwilligen Yakuza-Filme, mit denen er neben Kinji Fukasaku besonders prägend für das Genre war. Während seiner Anstellung für das Studio Nikkatsu entwickelte er einen ganz eignen Stil, der sich besonders durch den spielerischen Umgang mit optischen Effekten auszeichnete. Ungewöhnlich kadrierte Einstellungen, Wechsel von Farbe zu Schwarzweiß sowie theatralisch inszenierte Musicalnummern waren dabei ein elementarer Bestandteil. Seine unkonventionelle Erzählweise führte letztendlich auch dazu, daß er wegen Branded to Kill von seinen Studiobossen gefeuert wurde. In der Retrospektive wird sowohl sein größter Erfolg Tokyo Drifter gezeigt wie auch sein weniger bekanntes Regiedebüt Harbour Toast aus dem Jahr 1956 und die Taisho-Trilogie aus den achtziger Jahren, bei der sich Suzuki weitgehend von der Gangsterthematik entfernt hat.

Auf jeden Fall wird es sich auch in diesem Jahr wieder lohnen nach Frankfurt zu pilgern, um einen ausgewählten Blick auf das momentane japanische Filmtreiben zu werfen. Wenn trotz des umfangreichen Programms Langeweile aufkommen sollte, kann man sich immer noch im Rahmenprogramm der Nippon Connection austoben. Dabei kann man unter anderem lernen, wie Mangas gezeichnet werden, einer Teezeremonie beiwohnen oder einen japanischen Kochkurs besuchen. Auf jeden Fall zu empfehlen ist auch das Konzert der zwei Mädels von Afri Rampo, einer experimentellen Punk-Band aus Osaka, denen beeindruckende Live-Qualitäten nachgesagt werden. Unter ihren Verehrern befinden sich Größen wie Sonic Youth und Vincent Gallo.

Michael Kienzl

Nippon Connection

Japanisches Filmfestival


13. bis 17. April 2005

Frankfurt am Main

 

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