Musik_Tweaker - The Attraction to All Things Uncertain

Vorweihnachtliche Werkschau

Das X-Mas-Busineß ist in vollem Gange. Und ein neuer Tonträger verdient schon wegen des "Production Designs" eine Review.    17.11.2003

Tweaker, das ist zunächst einmal Chris Vrenna, bestens bekannt von diversen Nine-Inch-Nails-Studioalben. Ein Drummer/Programmer auf Solopfaden - das wäre ja an sich noch gar nichts Besonderes. Was jedoch sofort ins Auge springt, ist zweierlei: sowohl das elegisch entrückte Artwork von Joe Sorren, von dem auch der nachdenkliche Albumtitel stammt, als auch die (sagen wir mal) etwas elitäre Credit-Liste der Mitstreiter auf dem Tweaker-Album "The Attraction to All Things Uncertain" lassen darauf schließen, daß Mister Vrenna schier unglaubliche Connections hat. Kein Wunder, remixte und tweakte er doch bereits für Größen wie Bowie, Manson, The Smashing Pumpkins, Green Day, The Wallflowers, Hole oder gar Rob Zombie.

Zurück zur Musik: Im wesentlichen handelt es sich dabei um zeitgeistigen, US-amerikanischen Glitch-Pop, der gern Anleihen bei englischen Vorbildern aus der Elektronikszene nimmt, dabei aber viel stärker auf puren Pop ausgerichtet ist. Gleich der Opener "Linoleum" überrascht mit keinem Geringeren als David Sylvain hinterm Mikro, einer grandiosen Stimme, um die es in den letzten Jahren zu Unrecht etwas still wurde. Weitere Vokalisten wie Will Oldham (Bonnie "Prince" Billy) oder Craig Wedren (Shudder) runden die Silberscheibe mit ihren treffsicheren Timbres ab.

Ansonsten sind die 13 Tracks eine Art Werkschau sämtlicher aktuellen Pop-Stile, die moderne Electronica zur Zeit anbieten kann: Song Nummer 3 ("Swamp") als Anspieltip veranschaulicht ganz gut, was dabei so auf die Hörer zukommt. Soundscape-Intros/Elektrobeats während der ersten zwei Minuten, dann reißt uns eine plötzlich einsetzende Grunge-Gitarre abrupt aus dem süßen Taumel - und dies ist nicht das einzige Mal, daß auf "The Attraction..." gerockt wird. War ja auch vorhersehbar.

Damit auch die Frickler auf ihre Kosten kommen, treiben Tracks wie "Susan" oder "Full Cup of Coffee" beziehungsweise "Empty Sheet of Paper" (anhören!!) deutlich vernehmbar vom Mainstream weg, so ungefähr in Richtung Console (= ausgezeichnet). Nur zwei Kleinigkeiten stehen der Höchstbewertung unumstößlich im Wege: die etwas zu große Stilvielfalt und die Robostimmen auf "Microsize Boy". Trotz allem: Kaufen!

 

Ernst Meyer

Tweaker – The Attraction to All Things Uncertain

ØØØ 1/2


Six Degree/EFA (USA 2003)

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