Video_Narc
Good Cop, Mad Cop
Presse- und Covertexte lügen für gewöhnlich. Doch bei diesem Polizistenfilm von Joe Carnahan sagen sie die Wahrheit.
30.10.2003
Als "düsteren Cop-Thriller in bester Tradition von 'French Connection' oder 'Serpico' " bezeichnet der DVD-Covertext den von Tom Cruise mitproduzierten Bullenstreifen "Narc" - und könnte damit nicht näher an der Wahrheit liegen. Gleich die ersten paar Minuten lassen eiskalt spüren, woher der Wind weht: Wenn Nick Tellis (Jason Patric) einem Drogendealer Richtung Kinderspielplatz nachhetzt und die Handkamera hektisch hinterherdackelt, während der Junkie einem ahnungslosen Parkbesucher die Spritze in den Hals rammt und Tellis einer werdenden Mutter (deren kleines Kind daneben spielt) aus Versehen eine Kugel in den Oberschenkel jagt, steht fest, daß wir uns nicht mehr in Kansas befinden. Eindeutig.
Der Vorfall sorgt natürlich für die Suspendierung des Rauschgiftfahnders, und so bleibt Tellis nur die Wahl zwischen Däumchendrehen oder - auf Wunsch der Chefetage - Lieutenant Oak (Ray Liotta) bei der Aufklärung eines Mordes zu helfen. Auf die Finger sehen soll er ihm dabei allerdings auch, denn das Tatopfer war Oaks Partner, und der Kollege benimmt sich schon im banalen Polizistenalltag wie eine emotionale Zeitbombe. Je tiefer sich Tellis in die Recherche vergräbt und je enger er mit dem jähzornigen Cop zusammenarbeitet, desto klarer wird, daß Oak ein dunkles Geheimnis hütet. Daß am Ende dann doch nichts so ist, wie es den Anschein hatte und der Zuseher in der herrschenden Tristesse allein gelassen wird, spricht für den Film.
Etwas derart Hochwertiges hat man aus Hollywood schon lange nicht mehr zu sehen bekommen. Wo "Training Day" durch die üblichen Hollywood-Filter geschickt wurde, bleibt Joe Carnahans "Narc" schonungslos realistisch und präsentiert uns die Mean Streets von Detroit ganz ohne Schnörksel.
Patric & Liotta glänzen dabei in ihrer "Zwei böse Cops, kein guter"-Variante und zeigen, was sie draufhaben, wenn sie nicht in mißglückten Blockbuster-Versuchen oder B-Movies mitkasperln müssen. Neben diversen Interviews ist es vor allem die "Anatomy of a Scene", die das Bonusmaterial der DVD zu einem wahren Leckerbissen macht. Diese Featurette setzt sich ausschließlich mit einer einzigen Szene des Films auseinander und zeigt mittels Interviews auf, was in den kreativen Köpfen von Regisseur, Kameramann und Cutter vorgeht. Leider bleibt uns der auf der US-Disc enthaltene Audiokommentar des Regisseurs vorenthalten.
Jürgen Fichtinger
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