Video_Immortel
Das digitale Element
Wenn schon SF, dann auch SF-Technik: Die paar echten Schauspieler in diesem Film agieren vor Hintergründen, die es nur im Computer gibt. Und das sieht gut aus.
30.11.2004
Enki Bilals ("Tykho Moon") pittoreske Verfilmung seines eigenen Science-Fiction/Fantasy-Comics liegt nun als zwei DVDs beinhaltende Collector´s Edition vor - allerdings in französischer Sprache und nur beim Hauptfilm mit englischen Untertiteln. Aber das ist ja bei diesem Werk fast egal, weil es hier ohnehin hauptsächlich um die Optik geht. Das grundsätzliche Motto von "Immortel" scheint zu lauten: " 'Final Fantasy' war gut - das einzige, was fehlte, waren die Schauspieler." Mit der zur Behebung dieses Problems entstandenen technischen Mischform (echte Menschen neben CGI-Charakteren vor durchwegs im Computer entstandenen Hintergründen) gehört Bilals Werk einer neuen Generation von Filmen an, die mit einem komplett "digitalen Szenenbild" daherkommen - so wie "Sky Captain and the World of Tomorrow" und "Casshern", die bei uns ebenfalls noch nicht zu sehen waren. Daß die Schauspieler, unter ihnen ein erstaunlich guter Thomas Kretschmann und die in Würde gealterte Charlotte Rampling, trotz der Arbeit vor Blue- und Green-Screens ihr Handwerk doch ganz ordentlich versehen, spricht für die Qualität der Inszenierung.
Die Unsterblichen in diesem Film sind die ägyptischen Götter und -innen Anubis, Bastet und Horus, die eines Tages in einer großen High-Tech-Pyramide über dem New York der Zukunft schweben, weil sie in einer Mission unterwegs sind. Welche, das geht aus der Story nie so genau hervor - sie hat jedenfalls irgendetwas damit zu tun, daß Horus die Abgesandte eines mysteriösen Alien-Volks schwängern muß, um selbst nicht sterblich zu werden. Besagte Abgesandte ist ein entzückendes Mädchen mit blauen Haaren, das um 2090 im Big Apple herumirrt und so gut wie keine Erinnerung an sein früheres Leben hat (weil sie kein früheres Leben hat, wie sich bald herausstellt). Ihr einziger Freund ist ein maskierter Außerirdischer, der in einem Fauteuil in der Erdumlaufbahn schwebt, wenn er nicht gerade den Central Park zu einer vereisten Todeszone umbaut. Klingt alles nicht ganz einfach. Und der Plan des Horus wird dadurch noch erschwert, daß er von einem Menschen Besitz ergreifen muß; nur sind die meisten Bewohner (und Aliens) New Yorks durch Gentechnik und Cyborg-Eingriffe schon so verändert, daß ihnen kurz nach der Übernahme durch den Gott der Schädel platzt. Also schnappt er sich kurzerhand einen Revoluzzer namens Nikopol, der wegen seiner politischen Vergehen jahrzehntelang tiefgefroren war und jetzt bei einem Unfall des schwebenden Gefangenentransports zufällig auftaut. Diese beiden bilden sodann eine seltsame Partnerschaft - und natürlich verliebt sich Nikopol in die sehenswerte Blauhaarige, die von seinem göttlichen Begleiter bestiegen wird.
"Immortel" ist also allein wegen seiner mythischen und Fantasy-Elemente eher ein Märchen denn ein ernstzunehmender Science-Fiction-Film, so wie auch die Comics von Bilal. Daß dieses Märchen jedoch in einer derart interessanten und aufregend gestalteten Welt spielt, die mit Versatzstücken aus "Das fünfte Element" und "Blade Runner" ebenso ausgestattet ist wie mit einer Unzahl eigener Ideen, macht es absolut sehenswert. Und das nicht nur wegen der Technik, sondern auch wegen seiner Poesie, der überraschenden Gore-Einlagen und des lakonischen Humors, der sich durch den Plot zieht. Die Franzosen können´s also doch.
Peter Hiess
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