Musik_Rock Action Vol. 3

Made in Germany

Eine ausschließlich bundesdeutsche Angelegenheit ist diese Ausgabe der losen Rubrik. Darin enthalten: die aktuellen Alben von Slut, Das Weeth Experience, Klez.E und Finkenauer.
   11.10.2004

 

Christoph Prenner

Slut - All We Need Is Silence

ØØØ 1/2


Virgin/EMI (D 2004)

 

Kann man ruhig so sagen: Die Ingolstädter von Slut gehören in Belangen gerader, eingängiger Gitarren-Rockpop seit Jahren zu Deutschlands erster Garde. Dabei war es auch nie ein Hindernis, daß sie in ihrem Zugang wesentlich britischer klingen als die Konkurrenz. Nach dem breiten, opulenten Pop-Entwurf von "Lookbook" und dem kargen, wenngleich hymnischen "Nothing Will Go Wrong" ist nun aber auf ihrem mittlerweile fünften Album "All We Need Is Silence" zwar nicht die titelgebende Stille, wohl aber erstmalig so etwas wie Routine eingekehrt - im positiven wie negativen Sinne. Zum einen macht den Jungs um (den gewohnt hingebend schmachtenden) Chris Neuburger so schnell keiner mehr was vor, wenn es um harmonisch-druckvolles Zusammenspiel geht. Denn das sitzt besser und perfekter denn je zuvor. Zum anderen fehlen zwischen all den anschmiegsamen Melodien und den eruptiven Gitarrenwällen dann doch die richtig hervorstechenden Augenblicke, mit denen Slut einen bislang regelmäßig vom Hocker reißen konnten. Womit aber nix gegen beschwingtes Sitzenbleiben gesagt sein soll.

 

Slut live:

19. 10. 2004/Graz - Orpheum

20. 10. 2004/Wien - Flex

21. 10. 2004/Linz - Posthof

22. 10. 2004/Dornbirn - Conrad Sohm

 

Links:

Klez.E - Leben Daneben

ØØØ 1/2


Loob Musik/Wohnzimmer (D 2004)

 

Ja, dürfen die das denn? Sich selbst überabgeschmackt nach einem Computervirus benennen und das erste Werk dann auch noch "Leben daneben" betiteln? Und im wohl prägnantesten Refrain desselben (auf "Du auch") ganz ohne Ironie (oder?) ca. endlos oft "Wir sind alle nur zum Leben hier" zu skandieren? Aber ja, die dürfen das. Denn wenn man von all den konzeptionellen und lyrischen Holprigkeiten absieht, bedenkt, daß nicht jede Band Texte wie Kettcar schreiben kann und man schon über solche froh sein muß, die sich nicht wie jene von Teeniegirl-Bands wie Virginia Jetzt anhören, dann, ja, dann haben Klez.E viel zu bieten. Besonders auf musikalischer Ebene. Denn eben auf dieser verarbeiten Tobias Siebert und seine Band das Erbe großer Melancholiekönige von Radiohead bis zu The Cure (gern geäußerte Vergleiche). Und auch Idlewild, diese tollen, immer unentdeckt gebliebenen Brit-Rocker, mag man rauszuhören. Zumindest für dauergraue Herbsttage dürfte dieses Album eine Bank sein.

 

Klez.E live:

11. 10. 2004/Wien - B72

 

Links:

Das Weeth Experience - The Accentric Sounds of ...

ØØØØ


Dian/Ixthuluh (D 2004)

 

Melancholie. Herbsttagetotschlagmusik. Ewig unentdeckte Band. All das läßt sich auch auf Das Weeth Experience und ihren vierten Longplayer "The Accentric Sounds of ...", den ersten nach fünfjähriger Pause, übertragen. Vorausgesetzt, man tauscht den Herbst der Band-Heimat Hamburg direkt gegen einen in sandigen Wüstenkaffs im amerikanischen Niemandsland ein. Denn genau das ist das Revier, in dem sich die erdig-elegischen, wüstenstaubverhangenen Postrock-Americana-Hexereien des losen Gefüges um Mastermind Christof Jessen bewegen. Dort, gleich neben den großen Brüdern von Giant Sand und Calexico, haben sie sich niedergelassen, vertonen am Ende gar noch ein Gedicht von Francois Villon und besorgen uns den giftigsten Song-Titel des Jahres: "ElvisHeroinJazz". Der hört sich dann übrigens auch genauso an.

 

Links:

Finkenauer - Finkenauer

ØØ


Kiddo/Sony (D 2004)

 

Pascal Finkenauer ist Ex-Sänger des Electro-Rock-Zusammenschlusses Jaw, aktueller Sänger der Garagen-Rocker The Black Cherries und trotzdem unterbeschäftigt. Oder zumindest unterfordert. Selbstbestätigung muß also her. Ein Soloalbum! Aber was für eines: "Alle Stücke" hat er "geschrieben, gespielt, arrangiert, aufgenommen und produziert". Ego-Tripping ist kein Ausdruck mehr dafür. Entstanden sind im Verlauf dieser Übung in Selbstüberschätzung unsterbliche Liedtitel wie "Wir schreiben die Gedichte neu" mit noch edleren Texten wie dem hier: "Die Tiere tanzen, die Menschen tanzen, alles verwischt sich vom Nichts hin zum Ganzen."

Der Lyrik-Hauptpreis für die seltsamste Zeile des Jahres geht aber an die folgende: "Während wir drinnen bei Burger King saßen/kamen die Nutten und säumten die Straßen." Schade, diese außergewöhnliche Stimme an solche Texte verschwendet zu hören. Und die Musik? Von der reden wir ein andermal. Oder unterlassen es besser gleich. Selbstverwirklichungs-Kreuzüber nennt man sowas wohl.

 

Links:

Kommentare_

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