Video_Milano Kaliber 9
Und ewig lockt der Zaster
Nach Mario Caianos "Die Killermeute" hetzt Koch Media jetzt mit den zweiten "polizieschi" auf den geneigten Zuseher. Mit dabei ist hier ein junger Mario Adorf.
01.11.2004
In Fernando Di Leos Italo-Delinquenten-Film dreht sich alles um den gerade aus der Haft entlassenen Ganoven Ugo (Gastone Moschin). Dieser soll einem Gangsterboß, den man den "Amerikaner" nennt, seinerzeit bei einem Drogendeal um saftige 300.000 Dollar erleichtert haben. Und weil sich Diebe bekanntlich nicht gerne selbst beklauen lassen, ist der immer noch sauer. Ugo wird kurzerhand vor dem Gefängnis abgepaßt - und zwar von einem großartigen, jungen Mario Adorf, der den Schläger Rocco mimt. Der Amerikaner nimmt Ugo wieder in seine Dienste, bis er das vermeintlich gestohlene Geld wieder zurückgibt, und auch der Commissario sitzt dem wortkargen Einzelgänger im Nacken. Nebenbei wäre da noch die sündige Nelly (Barbara Bouchet), die sich über die Rückkehr ihres entlassenen Liebsten freut, sowie dessen alter Kumpel Gino, ein waschechter Mafiakiller. Als bei einer Drogenübergabe neuerlich Geld verschwindet, gerät die Lage außer Kontrolle, und es kommt, wie es kommen muß: hart auf hart. Am Schluß ist dann gar nichts wieder gut, und eine Überraschung steht ins Haus.
Gleich die rasante Eingangssequenz rüttelt den Betrachter an den verwöhnten Eingeweiden. Wenn zu Luis Bacalovs großartigem musikalischen Thema eine Übergabe mißglückt und die Drogistenbrut, allen voran der Schurke Rocco, dann mit den vermeintlichen Betrügern mittels Kürzestprozeß abrechnet, staunt man ob des vorgelegten und aufs Wesentliche reduzierten Erzähltempos nicht schlecht. Allerdings hält Di Leo die damit recht hochgelegte Latte leider nicht lange so weit oben, und daher driftet " Milano Kaliber 9" stellenweise wieder ins Mittelmaß ab. Der dem stoisch angelegten Ugo entgegengesetzte Rocco, beziehungsweise dessen brodelnde Verkörperung durch Adorf, einige weitere gelungene Sequenzen sowie der sinistre Schluß machen dieses Manko für Genre-Fans jedoch wieder wett. Als amüsantes Detail gibt Lionel Stander, den meisten wohl bekannt als Diener Max aus "Hart aber Herzlich", den amerikanischen Bösewicht.
"Milano Kaliber 9" liegt hierzulande erstmals in der ungekürzten Fassung vor, so daß es einige Dialogpassagen mehr zu sehen gibt. Diese spielen hauptsächlich im Kommissariat und handeln von den politischen Zwistigkeiten des traditionellen "Als Verbrecher wird man geboren"-Oberbullen und dessen liberalem "Das soziale Umfeld ist an allem schuld"-Gegenstück, gewürzt mit ein wenig Systemkritik und Mafia-Anspielungen.
Hauptdarsteller Moschin war auch in Coppolas "Godfather"-Trilogie mit dabei, dann in der Terence-Hill-Spätserie "Don Matteo", und durfte sogar einst den Don Camillo spielen (mit Lionel Stander - wieder einmal - als Peppone). Barbara Bouchet kennt man unter anderem als Miss Moneypenny aus "Casino Royale" sowie aus dem amüsanten Lucio-Fulci-Streifen "New York Ripper" alias "Don´t Torture A Duckling" oder dem öden Shirley-MacLaine-Vehikel "Sweet Charity". Und Genreregisseur Di Leo hatte die Schreiberfinger in Leones beiden Dollar-Filmen.
Die DVD verfügt über eine ordentliche Bildqualität; leider schaffte es aber keines der Extras der demnächst erscheinenden italienischen "Collector´s Edition" auf den deutschen Release. Bleibt unterm Strich ein netter Genrebeitrag mit Höhen und Tiefen für alle, die´s dreckig mögen (die Höhen sollte man allerdings wirklich gesehen haben).
Jürgen Fichtinger
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