Platten_Birgit Denk - Hoits eich au!

Sympathische Zwiderwurz´n

Mangels an Alternativen bezeichnet man heutzutage schon die Starmaniacs als die neuen Austropopper. Dabei gibt es diese feine Szene immer noch.    29.08.2004

Kurt Ostbahn ist da, wieder weg, dann abermals auf der Bühne - und eventuell endgültig weg. Bis er wieder auftaucht, haben wir eine Sängerin, die sich zeitweise in seiner Band profiliert hat und seit 2001 brav CDs veröffentlicht. Und sie bleibt. Hoffentlich.

Live hat sich Birgit Denk bereits in so manche Herzen gespielt, aber die breite Öffentlichkeit ist noch immer ahnungslos, daß es da richtigen Austropop gibt, nicht nur die 08/15-seelenlosen Texte, die Christl Stürmer etwa als Hirnschmalz verkauft.

"Wieda zwieda" sind Denk auf dem neuen Album "Hoits eich au!". Der Titel des Albums ist gleichzeitig "so etwas wie ein Schlachtruf, ein Opener für unsere Konzerte", sagte die Sängerin im Privatgespräch zu unserem Textchef und Ostbahn-Kurti-Experten. "Auf Wienerisch hat dieser Titel aber natürlich auch eine Mehrfachbedeutung - und die zieht sich durch die ganze Platte".

Tatsächlich: Wenn sie sich mit Reggae-Unterstützung in "Komplett out" über aktuelle Trends mokiert und andere nach Norwegen Nordic-Walken läßt, findet sich selbst da eine der vielen Bedeutungen des Wiener Ausdrucks wieder. Anschließend schlägt sie auf "Na, des los ned aus" einen schweren Tango an, der sich zu einem gemütlichen Rocksong mausert; eine Abrechnung präsentiert sie im bluesigen "Ned wo i wü".

So schön kann Austropop sein: Da nimmt jemand einfach verschiedene Stile her und integriert sie in die mieselsüchtige österreichische Gemütlichkeit, sudert und philosophiert im Text ein wenig, wobei Birgit Denks versoffen (im positiven Sinne!) und rauchig klingende Stimme hervorragend dazu paßt - und man glaubt, all das, ob Reggae oder Blues, ob Rock oder eine klassische Ballade, wäre in Österreich erfunden worden.

Selbst wenn jemand Mundartmusik nicht mögen sollte - Denks neues Album eignet sich für Leute, die sich eventuell bekehren lassen würden - auch wenn es manchmal etwas zu zäh ist, wie bei "Ned wos i wü" oder "Rannersdorf". Doch dem entgegen steht unter anderem die Denk-Interpretation von Melissa Etheridges "Bring Me Some Water", auf gut Wienerisch nun "Bringts ma irgendwer a Achtl", die den Einstieg ungemein erleichtert! Als Draufgabe gibt es eine Menge Gedanken und Gefühle, die schon jeder von uns einmal hatte, die hier aber auf den Punkt gebracht sind.

 

Milan Knezevic

Birgit Denk - Hoits eich au!

ØØØ


Amadeo/Universal

(A/30. 8. 2004)

 

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